Wenn ein unterernährter britischer Rockmusiker (Name der Redaktion bekannt) mal gerade nicht seine blutverkrustete Junkie-Nadel einem flachbrüstigen Model in den Oberschenkel rammt oder Liam Gallagher von Oasis seinen Brit-Award desinteressiert einem Fan an die Birne schleudert und sich selbst die Musikmesse mit vorab verkündeten Rekordbesucherzahlen bedenklich tot stellt, merkt man erst, wie hohlwangig die deutschsprachige Tonszene ist. Ach so.
Großer Burner natürlich: der just erschienene Bushido-Film „Zeiten ändern dich“. Grandioses Familienepos. Eine Berliner Deppen-Saga quasi, die Kreuzberger Buddenbrocks in der elften Laien-Generation. Produziert von Bernd Eichinger, der sein Glaubwürdigkeitskreuz nun bereits vom Straßenstrich am Bahnhof Zoo über den Baader-Meinhoff-Komplex bis ins Ghetto der Hip Hop Szene geschleppt hat. Aber ungekreuzigt bleibt. Kredible Männerfreundschaft derzeit. Er und Bushido. Deswegen macht sich Sido, der Lafontaine der Hip Hop Szene, ein wenig Pippi ins Designer-Unterhöschen.
In der Credibility Competition um Establishment-Anerkennung scheint Bushido das einst Koks verkaufende Näschen ein wenig weiter vorn zu haben. Deshalb große Rache jetzt von Sido. Er setzt auf Volkstümlichkeit. „Sido: MTV Unplugged live aus‘m MV“ nennt sich das. Instrumental abgespeckt „spielt er in seinem Märkischen Viertel, aus dem Volk, für‘s Volk“, randaliert das Presseinfo. Was bitte spielt Sido denn da genau? Strip-Poker mit geleasten Ost-Europäerinnen? Und bedeutet unplugged, dass es Dresche ohne Schlagring, also die nackte Faust in die Kauleiste gibt? Fragen, die den nicht interessieren, der wegen des RTL 2-Dauerbeschusses der abgehalfterten Popstars längst demenziöse Tendenzen vor dem Arbeitgeber vertuschen muss. Aber nun heißt es Hände aus der Hose und Arme hochgerissen! DJ Ötzis Künstlerleistung wurde erneut vergütet. Nachdem er die Sportfans mit seiner fiesen Handball-EM-Hymne „Sweet Caroline“ schurigelte, wurde er eben als „Mein Star des Jahres“ in der Kategorie „Bester Schlagerstar“ gekrönt. Immerhin konnte er die Flippers, denen man das Konzept der Scorpions empfehlen möchte, und Michelle, die ob der Niederlage wahrscheinlich sofort BILD-tauglich zusammenbrach, liquidieren.
DJ Ötzi zieht seinen Abstieg also 2010 konsequent durch. Aber der Strickmützenbär hat noch einen im Janker: ein Duett mit Karel Gott. „Fang das Licht“ feiert am 20. März bei Florian Silbereisen samt blödem Gegrinse Weltpremiere. Den Termin blocken wir selbstredend im iPhone. Wobei sich Gerry – so nennen Freunde den Ötzi – treu bleibt. Kein Song bleibt Leiche genug, um nicht von ihm gefleddert zu werden. „Fang das Licht“ präsentierte Karel Gott mit dem blonden Schulmädchenvamp Darinka bereits 1985 einem männlichen und deshalb lechzenden Publikum. Die werden sich zwar seit 1990 nicht mehr daran erinnern, aber bei DJ Ötzi können sie sich wenigstens das Sabbern sparen. Das sind doch mal Neuigkeiten, oder?