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Theo Geißler. Foto: Charlotte Oswald

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Theos Kurz-Schluss – Wie ich einmal mit dem Versuch einer beruflichen Neuorientierung im Politik-Bereich richtig Glück hatte

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Also echt: Meine ehemalige Sympathie für die Ampel-Hampler ist auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Haben sich doch diese Moneten-Schluckerinnen und -Schlucker im Bundestag seit Juli einen sehr feuchten Schluck aus der Steuerpulle, eine monatliche Diätenerhöhung um sechs Prozent, genehmigt. Das klingt fast „bescheiden“ angesichts der von dieser Gurkentruppe hilflos mitverursachten Inflation. Beläuft sich aber selbst für die Frischlinge im hohen Hause auf eine Steigerung von 10.592 Euro auf 11.200 und ein paar zerquetsche Euronen. Ich weiß schon: So falle ich in die Kategorie „ignoranter, kleinkarierter Neidbürger“. Ist mir wurst. Denn meine Rentenerhöhung beträgt die für „Normalos“ gültigen 4,57 Prozent. Und für mich damit gerade mal die Hälfte der Abdeckung meiner inflationsangepassten medizinischen Pediküre-Kosten.

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Aber ich will nicht jammern. Also suche ich mir zum Aufstocken neben morgendlicher Zeitungszustellung und nächtlicher Wache an einem Schrottplatz noch einen Dritt-Job: Da sticht mir auf Facebook eine fette Zeile ins Auge: „Tausend Euro monatlich steuerfrei als Influencer“. Sicher der Dummtrick eines legasthenischen Jobvermittlers für Pharmakonzerne. Denn wer holt sich schon  – auch gegen Kohle – in diesen virenmutationsintensiven Zeiten freiwillig eine Grippe. Nachher fängt man sich die Hühnerpest ein. Danke, denke ich – lese angewidert aber noch ein paar Zeilen: „Check Influencing! Create Success. In der heutigen digitalen Welt ist die Kundenkommunikation das Herzstück eines jeden erfolgreichen Unternehmens. Influencer:Innen verstehen die Bedeutung der digitalen Transformation und setzen sich leidenschaftlich dafür ein, die Customer Journey ihrer Kunden und ihr persönliches Income zu optimieren. Eine nahtlose digitale Erfahrung und Präsenz über alle Kanäle hinweg ist nicht nur wünschenswert, sondern unerlässlich. Social Media ist das Sprachrohr deines Egos. Wir helfen dir, deine Präsenz auf Plattformen wie Facebook, Instagram und LinkedIn zu stärken. Durch strategisches Social Media Marketing bauen wir Beziehungen auf und fördern den Dialog mit deiner Zielgruppe. Mit unserem Newsletter-Marketing erreichst du Kunden direkt und persönlich. Wir gestalten Newsletter, die nicht nur informieren, sondern auch zum Handeln anregen. Durch ansprechende Inhalte und gezieltes E-Mail-Marketing stärken wir die Bindung zu Kunden. Wir sind stolz darauf, der richtige Ansprechpartner für die digitale Transformation deiner Persönlichkeit zu sein. Wir legen großen Wert darauf, die digitale Customer Journey zu einem nahtlosen und bereichernden Erlebnis zu machen. Kontaktiere uns und lasse uns gemeinsam den digitalen Wandel gestalten. Lass dich briefen. Persönlich und intensiv, professionell. Nimm an unserem Webinar teil. Alle Infos unter …“ – (was folgt ist die Webadresse, die bleibt natürlich sicherheitshalber unter uns).

NaNaNa. Das ist ja ein ziemliches Geschwalle. Hört sich so an, als sei es Marketing samt Lobbying, wie ich es jahrelang erfolgreich für alle erdenklichen Kundenarten in allen erdenklichen Medien unter besonderer Vernachlässigung meines Gewissens oder Geschmackes betrieben habe. Influencing ist also schlicht der Versuch, Einfluss zu nehmen, sich selbst toll darzustellen. Nur mit ein paar neumodischen, teils kostenlosen Programmen, auf ein paar Internet-Plattformen zugeschnitten. Da spar ich mir das Fünfhundert-Euro-Briefing-Seminar, lade mir ein paar Dreißig-Tage-Testprogramme von Adobix runter und beschließe, um Kundschaft anzuwerben, die zunehmend unbekannte, politisch chancenlose FDP als Lockfutter in meine Einflussnehmer-Falle zu nutzen. 

Also starte ich auf allen wichtigen Plattformen eine Webpräsenz mit dem Titel „Einfluss statt Ausschuss“ (genial was?). Unter das dank Photoshop ins Freundliche verfremdete Bild des Bundespräsidenten fake ich den Werbetext der „Tausend-Euro-monatlich-Agentur“ mit dem unauffälligen Nachsatz: „Also, liebe Bürgerinnen und Bürger, engagieren Sie sich in diesen schwierigen Zeiten, gerade in diesen schwierigen Zeiten für die Stabilität unserer Wirtschaft, unserer Parteien, unserer Demokratie.“ Unleserliche Unterschrift, bin doch kein Fälscher. Dann Kontaktadresse: „Einfluss statt Ausschuss: Ihre FDP“. Es folgt ein aufpolierter Wertekatalog der Splitterpartei: „Deutschland braucht einen Neustart. Wir Freien Demokraten wollen, dass unser Land moderner, digitaler und freier wird. Wir glauben an das große Potenzial unseres Landes. Daran, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit innovativ und nachhaltig lösen müssen. Dafür sind wir bereit, Verantwortung zu übernehmen. Gehen wir es an. Es gibt viel zu tun. Belebt die Innenstädte: Parkplätze statt lästiger Fahrradwege. Freiheit für nicht ganz korrekte Steuerzahler. Anhebung der Promillegrenze für Porsche- und Mercedes-Fahrer auf 2,5, für BMW-Chauffeure auf 3,0 Promille. Bürgergeld und Steuererleichterungen nur für eingeborene Deutsche mit eingeborenen Eltern. Freie Fahrt für Freie Bürger (Lindner).“ 

Als Nächstes besorge ich mir bei YooToo ein paar Greatest-Hits-Videos von Roland Kaiser, DJ Bobo und Peter Alexander. Per Cinema-Face-Transfer „operiere“ ich die Gesichter von Christian Lindner, Wolfgang Kubicki und Volker Wissing samt allen Moves auf die Sängerköppe. Ab ins Netz samt den Songs. Das schafft Einfluss. Dann kopiere ich unter dem fetten Titel „Ausschuss“ das Rammstein-Video „Dicke Titten“ dank Cinema-Face-Transfer mit Robert Habeck statt Till Lindemann auf die Plattformen. Was ist das Gegenteil eines Shitstorms? Eine Million Follower bei Insta und TikTok binnen einer Woche. Frech, wie ich bin, schicke ich eine differenzierte hohe sechsstellige Rechnung an die FDP-Parteizentrale. Und finde die Summe noch am gleichen Tag auf meinem Konto – eine Blitz-Überweisung von Rheinmetall. Tags darauf klingelt es an meiner Souterrain-Appartement-Tür. Davor: CSU-Generalsekretär Martin Huber und Dorothee Bär, beide mit über den Kopf gezogenen Hoodie-Kapuzen. Ich erschrecke zunächst, blicke dann aber in grinsende Gesichter und bitte die beiden in mein kärgliches Heim. Ob ich den Influencer-Job für diese lächerliche FDP nicht an den Nagel hängen könne. Sie böten mir doppeltes Honorar mit der Bitte, einige bayerische volkstümliche Sänger in die Video-Hits einzukopieren. Und für den Ausschuss schlagen sie Friedrich Merz und Hubert Aiwanger vor – vielleicht mit dem Rammstein-Song „Schnipp-Schnapp“. Ich überlege kurz, ob dies ein Versuch ist, meine künstlerische Freiheit einzuschränken. Mein demokratisches Bewusstsein riet mir: Stimm zu.
Empfehle: www.einflußstattausschussmiasanmia.csu

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

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