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Theo Geißler. Gemälde von Anneliese von Markreither. Foto: Theo Geißler

Theo Geißler. Gemälde von Anneliese von Markreither. Foto: Theo Geißler

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Theos Kurz-Schluss: Wie ich einmal in tiefer Sorge um eine einst verdienstvolle sozial orientierte Partei mein Letztes gab, ihr einen Hauch von Zukunftsperspektive zu verschaffen

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Mein aktuelles Hobby, mit dem ich mir die Zeit der Arbeitslosigkeit kulturbesessen sinnvoll fülle, ist das korrekte Verbinden von Nümmerchen in der tausendseitigen DIN-A-3-Sonderpreis-Edition „Malen nach Zahlen“ des bedauerlicherweise zerschellten Kulturkaufhauses „Weltbild“. Auf Seite 63 in der Rubrik „Easy-Verbinden und Finden“ habe ich gerade Kanzler Olaf Scholz als Strichmännchen vollendet. Optisch stimmig. Als altem Scherzkeks fällt mir spontan eine Bildunterschrift ein: „Rumms, Bumms, Doppel-Wumms: Wer Führung bei mir bestellt, bekommt sie.“ 

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Sind zwar nahezu Originalzitate, aber bei genauerer Analyse, angeregt durch mein Porträt, wohl das Ergebnis eines besonders schlechten Mind-Settings der Style-Berater. Malt man – freihändig – unter Olafs Näschen ein kleines Schnäuzerlein und ergänzt ein stramm gescheiteltes Toupet auf der angedeuteten glatten Schädel-Kugel, dann landet man fast zwangsläufig assoziativ bei einem ganz anderen Führer-Bild. Was an selbsternannter Führungskraft samt Führer vor gut 70 Jahren schon mal katastrophal zusammenkrachte, eignet sich heutzutage in einer Demokratie doch nicht unbedingt als schmückender Eigenschaftsbegriff für leitendes Personal einer politischen Partei. Sofern die nicht mental in der Mitte der 40er des vergangenen Jahrhunderts festgeklebt ist. Mensch Sozis! Wollt Ihr den Scholzi loswerden oder fehlt es Euch wie schon so oft an Marketing-Fantasie? Kann man nicht verhindern, dass ein nach eitler Selbstgefälligkeit müffelndes Phrasen-Dreschmaschinen-Gesülze als Kommentar zum hauchdünnen 1,8-Promille-Vorsprung vor der AfD in Sachen Eisenhütten-Schnaps aus sicherer New Yorker Distanz, nicht kanzler- sondern kanzleierwürdig, Olafs schmalzarten Lippen den Schrott-Text entlockt: „Ist doch super-doppelmoppel-potz-toll, dass wir gewonnen haben.“ Und: „Ich habe es in meinen sensiblen, aber standhaften Zehennägeln gespürt, dass da was passiert.“ In einem kurzen „Politico“-Video: „Ein tolles Ergebnis, sehr toll für die SPD, toll auch für uns alle. Das sage ich in unserem Fanzine gern und exklusiv.“ Nur nebenbei: Der Genuss von Tollkirschen soll auch bei „Führern“ zu heftigen und zusätzlich zu den ohnedies vorhandenen zu finalen Bewusstseinstrübungen führen. Achtung! Vorsicht: Tollwut kann tödlich sein. Spaß beiseite. Unerwartet undurchsichtig erklärte der Millimeter-SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke bei einer Rotkäppchen-Sause seiner Partei in der Eisbad-Tonne Schwielen-See: „Halali, Peng, Bumm: Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte unseres Landes noch niemals gegeben hat. Klapper die Schlotter.“ Ähnlich klang das bei SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: „Die extreme Aufhol-Hatz und -Hetze der SPD Thüringen und von Kanzlerkandidat Waidke, hicks, die hat gefunzzt in den letzten … ähh … Stunden.“ Brandenburgs SPD-Ortsverein Werder-Noch hatte verständlicherweise im Wahlkampf, allerdings in Verkennung der persönlich-sportlichen Zusammenhänge, auf die Präsenz von Kanzler Scholz verzichtet. „Wir Werder-Fans können uns einen Blockflöten-Pfeifer als Trainer für unsere D-Jugend nicht leisten.“ Gerührt und getragen zugleich sagte Woidke einmal mehr, es sei um Oder oder Neiße gegangen. Für die Bundestagswahl 2025 stärkte er Scholz die Bleizunge mit dem bundesweit schwergewichtigen Satz: „Der Bundesbanker ist gesetzt als Kranzlercafé-Pächter.“ In meiner Funktion als partei- und gewissenloser Politikberater habe ich mich jahrzehntelang tapfer durchgeschlagen. Dabei habe ich gelernt, dass es von Vorteil ist, bei allem kunstvollen Geprotze, bei allem Lügen und Betrügen möglichst nah an der Wahrheit zu bleiben. Durch die Publikation eines von mir verfassten Marketing-Handbuches für aufrechte Sozialdemokraten erhoffte ich nicht nur mir einen gewissen ökonomischen Erfolg, sondern auch der geschundenen SPD einen erheblichen Wählerstimmen-Aufschwung. Die ersten Kapitel kopierte ich aus meinem Brevier „Cum Ira Et Studio“, das ich seinerzeit für das Bistum Limburg der katholischen Kirche in Zeiten massiven Mitgliederschwundes aus literarischen Ratgebern der Gegenaufklärung kompiliert hatte. Dank eines Riesenerfolgs der leicht aktualisierten Zweit-Auflage einige Jahre später im Bistum Köln angesichts der Woelki-Krise konnte ich mir ein verdientes Sabbatical im damals noch liberalen Pukhet leisten. Den etwas trocken-sachlichen Mittelteil entnahm ich dank geschickten Promptens künstlich-intelligent einem Mix der Parteiprogramme von AfD, BSW und einem 8c-Prospekt der BMW-Luxusklasse. Lyrisch-marketingtechnische Volltreffer. Den Bundesadler sozusagen schoss ich ab mit einem Patchwork aus Absätzen der Werke von Saskia Sassen und Karl Marx. Blieb mir noch die Aufgabe eines krönenden Fazits. In Traditionsverbundenheit mit den sprachlich und inhaltlich gestylten, dennoch unverkennbaren Werten und Parolen im Sinne der verdienten Veteranen Gerhard Schröder und Helmut Kohl. Natürlich geschmückt und in eine modische Aktualität gehievt dank der Stringenz meiner Gedanken und der Farbigkeit meiner Sprache. Was Wunder, dass ich auf diesem geistigen Pfad zurückfand zum Ausgangspunkt meiner genialen Rettungsaktion. Zurück aus den USA griff ich Olaf Scholz direkt vor der Herrentoilette des Borchardt in der Berliner Französischen Straße ab, spritzte ihm einen halben Liter der CIA-Wahrheitsdroge Ibidum und veranlasste ihn so zur Unterschrift folgenden Kanzler-Diktates: „Jeder Bewohner der Bundesrepublik Deutschland erhält von mir ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, ausgewiesen als SPD-Wohltat, monatlich tausend Euro aus meinem zwölf Billionen Cum-Ex-Euros umfassenden Besitz, deponiert in den Warburg-Weinkellern. Ausgenommen sind Mitglieder der AfD, der Bayerischen freien Wähler, des BSW sowie Menschen mit einem Einkommen über 80.000 Euro – und jedenfalls Christian Lindner samt Daddy Cool Kubicki, FDP. Veni, vidi, vici.

Theo Geißler ist Herausgeber von Politik & Kultur

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