Tut mir leid – der folgende Report ist bedauerlicherweise schrecklich alt: Die Pressemitteilung über den hochkomplexen Verlauf des GEMA-Events am 19. Juni dieses Jahres um 19.00 Uhr erreichte uns an jenem Tag bereits um 18.45 Uhr. Womit gleichermaßen die Überlichtgeschwindigkeits-Kompetenz unserer wackeren Verleger- und Autoren-Inkassogesellschaft hochkarätig und sinnlich zugleich unter Beweis gestellt wäre – wie eben auch mal wieder Einsteins Relativitätstheorie.
Unter anderem durften wir dort erfahren, dass „mehr als einhundert Gäste aus den Bereichen Kultur, Politik und Medien einer Einladung der GEMA zum ersten ‚Politischen Jour Fixe mit Musik’ in die Räume ihres Hauptstadtbüros gefolgt sind. Begrüßt wurden die Gäste durch den Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann“. – Tja, das dürfte ungefähr hinkommen. Wir zählten, den Minister eingeschlossen, kurzfristig bis zu drei MdBs.
Thema dieses Abends sollte die Präsentation des neuen, seit über einem Jahr heftig bebrüteten GEMA-Kulturprogrammes sein – unter besonderer Berücksichtigung der wenig schmeichelhaften Empfehlungen unserer Kultur-Enquete-Kommission, was Transparenz, demokratische Konstruktion und Geschäftsgebaren der feinen Gesellschaft betrifft. Und hier scheinen dann doch ein paar intergalaktische Wurmlöcher, Sternwirbel-Protuberanzen und Super-Novae die Übertragung des eigentlichen Inhalts empfindlich gestört, wenn nicht gar teils demoliert, zu haben. Denn wenn diese Präsentation tatsächlich das Spitzenprodukt der versammelten Kreativität unserer Textdichter und Komponisten (von Verlegern ganz zu schweigen) geboten haben sollte, dann wäre ein kollektiver Ramsch-Verkauf dieses Personals samt Inventar an Google, Microsoft oder Bitkom die logische Konsequenz. Was die „Schöpfungs-Höhe“ betrifft, unterschreitet das „GEMA-Kulturprogramm“ nämlich leichtfüßig das Niveau computergenerierter Urlaubsfoto-Alben.
Originalton Überlicht-Papier: „Zu den neuen kulturellen Aktivitäten der GEMA, vorgestellt von Dr. Ralf Weigand, Komponist und Mitglied des GEMA-Aufsichtsrats, gehören mehrere Bausteine, die sich gegenseitig ergänzen. Einer davon ist der ‚Deutsche Musikautoren-Preis’. Mit dieser Auszeichnung, die erstmals im Mai 2009 in Berlin in mehreren Kategorien verliehen wird, wollen Komponisten und Textdichter das Werk ihrer Kollegen würdigen. Ein weiterer Teil des neuen Kulturkonzepts wird ein Stipendienprogramm für Komponisten und Textdichter sein. Die Geförderten werden die Gelegenheit erhalten, für einen begrenzten Zeitraum im In- oder Ausland in einer Hochschule, einem Ensemble oder Orchester et cetera ihre Kreativität durch neue Eindrücke zu bereichern und diese in ihr künstlerisches Werk einfließen zu lassen. Das Angebot richtet sich an Urheber aller Musikrichtungen. Im Rahmen des darüber hinaus neu geschaffenen ‚GEMA-Campus’ werden sich vorrangig Jugendliche und junge Erwachsene in Hochschulen, Schulen und anderen Lehranstalten, auch virtuell, mit Musikautoren austauschen können. Dadurch soll das Interesse an musikalisch-schöpferischer Arbeit geweckt und langfristig der Respekt für die kreative Leistung in Deutschland gefördert werden.“
Sorry – nicht eine frische Idee, kein Projekt, das nicht in ähnlicher Form mit ähnlichen, die „gute Absicht“ aufbrezelnden Worthülsen geschminkt, seit Jahrzehnten von unterschiedlichsten Verbänden und Vereinigungen mit erkennbar bescheidenem Erfolg betrieben würde. Das Gegenteil von „gut“ ist eben „gut gemeint“. In diesem Widerspruch erläutert sich dann auch die tiefenphilosophische Abhandlung des Vorstandsvorsitzenden Harald Heker. Er konstatierte einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel weg vom „Tue Gutes und rede nicht drüber“ hin zum „… rede drüber!“ als neues Leitmotiv der GEMA-Selbstdarstellung. In die Realität zurückgefiltert aus der Hyper-Lichtgeschwindigkeits-Relativität bleibt derzeit ein dürftiges „Wir tun so und reden laut“. Kein substanzielles Wort zu den Enquete-Empfehlungen, kein Funke Selbstkritik, statt dessen Selbstbespiegelung und Ursachensuche für Fehlentwicklungen im fernen Umfeld. Wer so agiert, der handelt aus selbstorganisierter Schwäche. Und die berechtigt zu starker Sorge um eine unverzichtbare Institution unseres Musiklebens: deshalb die groben Worte.