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Und die Wissenschaft ...

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... triumphiert – wir verkünden dies gerne – an der Schwelle des neuen Jahrtausends über Mensch und Welt. Nicht allein hat sie die genetische Pracht des Lebens, die Materie allen Seins verwertungsgerecht bloßgelegt. Viel mehr: Die aufgeklärte Vernunft leuchtet hell noch in den profansten Alltag hinein. Sie erklärt Phänomene, denen wir bislang in dumpfer Unbewusstheit erlagen. Sie führt den Beweis, dass bei homosexuellen Frauen der Ringfinger meist länger als der Zeigefinger ist. Oder dass die traditionelle jüdische Hühnersuppe tatsächlich gegen Erkältung hilft. Angesichts solcher Offenbarungen verblassen alle anderen Deutungsmuster dieser Welt.

... triumphiert – wir verkünden dies gerne – an der Schwelle des neuen Jahrtausends über Mensch und Welt. Nicht allein hat sie die genetische Pracht des Lebens, die Materie allen Seins verwertungsgerecht bloßgelegt. Viel mehr: Die aufgeklärte Vernunft leuchtet hell noch in den profansten Alltag hinein. Sie erklärt Phänomene, denen wir bislang in dumpfer Unbewusstheit erlagen. Sie führt den Beweis, dass bei homosexuellen Frauen der Ringfinger meist länger als der Zeigefinger ist. Oder dass die traditionelle jüdische Hühnersuppe tatsächlich gegen Erkältung hilft. Angesichts solcher Offenbarungen verblassen alle anderen Deutungsmuster dieser Welt.Waren Religion und Philosophie schon im alten Jahrhundert weit abgeschlagen, so wäre es gegenwärtig auch um jedwede Kunst recht schlecht bestellt – eilte nicht gerade die Wissenschaft so manches Mal stützend und stärkend herbei. Mit Noblesse versichert sie der an Legitimationsschwund dahinsiechenden Musik deren eigenen Wert. Erst unlängst vermeldete der „Tagesspiegel“ – Berlins grellste Posaune der Erkenntnis – neue Einsichten. Ein Vergleich des Verhaltens von 200 Häftlingen mit 200 Nicht-Häftlingen habe ergeben, was unser weitsichtiger Innenminister schon lange erahnte: Musizieren, so verlaute es von Experten, erzeuge einen „strukturierten, Bindungen erschaffenden Rahmen“. Derart gerahmt, erweisen sich Kinder als weniger anfällig für kriminogene Einflüsse. Andersherum darf nun des Volkes Weisheit, nach der böse Menschen keine Lieder besitzen, als wissenschaftlich erhärtet gelten. Und wir bewundern solch sezierenden Verstand, der von allen sozio-ökonomischen Bedingungen zu abstrahieren versteht.

Allein: nicht nur von unmusikalischen Kindern droht die Krisis der inneren Sicherheit. So hat jüngst ein gleich zweifacher „Dottore“ in der Zeitschrift „Kriminalistik“ darauf verwiesen, welche fatale Folgen Wechseljahre zeitigen können. Östrogene und Gestagene, zur Milderung des Klimakteriums herangezogen, könnten bei Frauen – horror vacui – einen „sexuellen Dauererregungszustand“ hervorrufen. Dies habe zur Folge, dass der Gatte („in einem Alter über 60 Jahren“) – den „medikamentös induzierten sexuellen Ansprüchen seiner Ehefrau nicht mehr genügen kann“. Als Folge sieht der Experte nicht nur Eifersucht und Leidenschaft, sondern gar Körperverletzung und Tötungsdelikte blühen. Doch wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Hier schlägt die Stunde des Musikanten. Und wir empfehlen – wissenschaftlich geadelt – schlagenden Eltern das Tamburin, missratenen Zöglingen einen Singkreis statt Gewalt und allen Frauen um die Fünfzig, dass sie nicht zu Östrogenen, sondern vielmehr zur Gitarre greifen mögen.

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