Unter dem Titel „Quixote oder Die Porzellanlanze“ kommt am 27. November im Festspielhaus Hellerau ein Musiktheaterstück von Helmut Oehring zur Uraufführung, das als Auftragswerk des Europäischen Zentrums der Künste Hellerau entstanden ist.
Oehring nennt sein Stück eine RequiemImproPunkFilmTanzElektroTheaterPolitMusik. Bildende Kunst und Literatur, Performance und Film, Pop und Politik, alte und neue Musik, Komponiertes und Improvisation, Kontrabass und Stimme, Spanische Gitarre und E-Gitarre begegnen sich hier ebenso wie reale und fiktive Gestalten: Cervantes und Peter Weiss, Dulcinea und Don Quixote, Joan Baez und Bob Dylan, Miguell de Fuenllana und Jimi Hendrix. Vier Musiker und Performer folgen Oehrings Partitur aus Timelines, Kompositionen, Improvisationsfeldern, Texten, Sounds und Visuals: Koordinaten eines ästhetisch-poltischen Rotationsfeldes.
Als das „traurigste Buch der Weltliteratur“ bezeichnete Dostojewski einst Miguel de Cervantes’ Roman „Don Quixote de La Mancha“. Oehring stellt diesem „Die Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss zur Seite. Die beiden Hauptfiguren sieht er als „Brüder im Geiste“, zwei, „die sich sehr viel zu sagen gehabt hätten“.
Don Quixote, der Eine, letzter Ritter eines letzten Ritterromans, kämpft gegen die Windmühlen einer neuen Zeit. Er will bewahren, was längst verloren ist: Werte wie Freiheit, Schönheit, Liebe, Ehre und menschliche Gemeinschaft. Immer wieder rutscht er aus dem Sattel und rappelt sich auf, macht sich zum Gespött, leistet unbeirrt Widerstand, bis in den Tod.
Der Andere, Peter Weiss’ Ich-Erzähler, fährt 1937, als die moderne Zeit auf ihre bislang größte Katastrophe zurast, als junger Widerstandskämpfer in den Spanischen Bürgerkrieg, zusammengedrängt auf einem Lastwagen mit anderen Gleichgesinnten. Wie sie will er in Spanien kämpfen, für die Freiheit, gegen die Faschisten. „Hier bin ich am rechten Platz, hier in der Landschaft des Don Quixote“ – mit den Worten seines Freundes Hodann macht er sich Mut. Don Quixote, den kennt er aus Büchern, gelesen im Verborgenen, daheim in Nazi-Deutschland. Um nicht unwissend zu bleiben, unmündig, untätig.
Bei Oehring werden sie zu Weggefährten. Erinnern sich gemeinsam und blicken voraus. Suchen und finden, verlieren und versuchen es neu. Leisten Widerstand und werden zermalmt. Zwei von vielen: Ein Heer von Gleichgesinnten ist angewachsen durch die Jahrhunderte, in Büchern, Bildern und Musik, leistet ästhetischen Widerstand und gibt Kraft für das Aufbegehren in der Wirklichkeit. Und Hoffnung, dass dieser immer wieder zerschlagene und neu formierte Widerstand einmal in einer für alle lebbaren Welt enden könnte.
„Quixote oder Die Porzellanlanze“ ist Teil eines größeren Werkzyklus’ Helmut Oehrings: vier Kompositionen auf Grundlage von Francisco Goyas Zeichnung „Yo lo vi“ aus den „Desastres de la Guerra“. Ob als symphonisches Werk, Oratorium, Streichquartett oder experimentelles Musiktheaterstück: Sie alle stellen die Frage nach den Möglichkeiten politisch-dokumentatorischer Äußerung und Erinnerung in Musik.
Regie: Helmut Oehring und Stefanie Wördemann
Audioproduktion: Torsten Ottersberg/GOGH-surround music prod.
Grafik, Film, Installationen: Hagen Klennert
Stimme, Performance: Maria Lucchese
Stimme, Kontrabass, Performance: Matthias Bauer
E-Gitarre, Live-Elektronik: Jörg Wilkendorf
Spanische Gitarre, Western-Hybridgitarre, Fretless Gitarre, Banjo: Daniel Göritz