Kompositionsunterricht besteht nicht nur aus dem Lesen von Partituren und intensivem Mentalcoaching (meistens letzteres), sondern auch aus Berufsberatung. Kaum eine Profession ist so vage verortet wie die einer Komponistin oder eines Komponisten. Zuerst einmal stellt sich die Frage: wann ist man das überhaupt? Ist man KomponistIn, wenn man davon leben kann, oder schon, wenn man ein erstes Werk schreibt, womöglich für die Schublade oder den Papierkorb? Kann man je davon leben? Was muss man tun, wenn man davon leben will?
Unweigerlich kommen dann auch bald die Fragen nach der richtigen Berufsstrategie. Klar, alle wissen, dass das Komponieren von sogenannter „E-Musik“ nie Chancen darauf haben wird, Millionenumsätze zu erzielen, selbst wenn man zu den wirklich erfolgreichen Vertretern der Gattung gehört. Es ist wahrscheinlich leichter, als Hobby-Influencer Nebenverdienste zu generieren, als sein neues Streichquartett zu Geld zu machen. Und der Nachbarsjunge könnte mit seinem Youtube-Kanal über Minecraft mehr Geld verdienen als Helmut Lachenmann mit seinem nächsten Auftrag für Donaueschingen. Gerade deswegen ist es mir immer sehr wichtig, den StudentInnen schon sehr früh zu erklären, welche wichtige Rolle einerseits die GEMA als Versorgungsgrundlage und andererseits die Berufsverbände spielen, besonders in unsicheren Zeiten wie diesen.
Immer wieder schauen mich StudentInnen staunend an, wenn ich Ihnen erkläre, dass auch die Dauer der Mitgliedschaft bei der GEMA einen direkten Einfluss auf die späteren Einnahmen hat, und dass es daher sinnvoll ist, so bald wie möglich einzutreten. Sie verstehen nicht, dass es ganz normal ist, dass man in den ersten Jahren kaum Einkünfte hat mit wenigen Hochschulkonzerten, dass sich das aber irgendwann ändert (eine gewisse Geduld vorausgesetzt).
Noch ominöser ist für viele ein Interessenverband wie der Deutsche Komponistenverband (bald mit neuer Namensform, die hoffentlich auch Frauen miteinschließt). „Was soll ich da?“ fragen mich viele, oder „was machen die eigentlich?“. Sie wissen nicht, dass es verbilligte Mitgliedschaften für NachwuchskomponistInnen gibt, dass eine freie Rechtsberatung inklusive ist, dass viele Ressourcen zur Verfügung gestellt werden wie zum Beispiel GEMA-Beratung, Honorarrichtlinien und Musterverträge, und auch, dass die vielen Landesverbände sich untereinander aktiv austauschen und sogar Konzerte und Veranstaltungen organisieren. Nicht zuletzt gibt es aber einen ganz wichtigen Punkt, weswegen ich jetzt allen meinen StudentInnen dringend raten werde, dem DKV beizutreten: Gemeinsam sind wir stärker. Es sollte klar sein, dass Lobbyarbeit für Kultur in den kommenden Jahren wichtiger als sonst werden wird.
Nach dem Verteilen von Notgeldern in der Coronakrise werden magere Jahre auf uns zukommen, in denen ganz sicher auch an Kultur gespart werden wird, ob wir es wollen oder nicht. In diesen Zeiten ist es für alle KomponistInnen wichtig, mit gemeinsamer und starker Stimme zu sprechen. Und je mehr Mitglieder dieser Verband hat, desto gewichtiger ist dessen Stimme.
Vereinsarbeit ist nicht sexy. Sitzungen sind oft quälend und behäbig. Aber im Gegensatz zu früher hat sich schon vieles zum Positiven verändert – der DKV von heute ist nicht mehr der DKV von gestern. Schon in den Hochschulen könnten wir die Generation rekrutieren, die in den kommenden Jahrzehnten den sicherlich nie endenden Herausforderungen begegnen wird. Auch das muss Kompositionsunterricht leisten – die Berufsrealität muss darin vorkommen, auch wenn das manchmal langweilig scheint.