Jetzt reißen Sie sich doch zusammen. Es reicht mit der Flennerei. Ja, Deutschland ist immer noch raus aus der Fußball-EM. Da haben uns die Engländer sauber den Marsch geblasen. Aber das hat sich ja angedeutet. Sportliche Erfolge im Fußball waren stets eng mit musikalischen Hits verbunden. Die sehr viel Älteren werden sich an 1974 erinnern. Jack White brachte die DFB-Elf mit „Fußball ist unser Leben“ auf Titel-Kurs.
Der schmissige Beat weckte eben noch Lebensgeister anderer Zeiten, aber gut, lassen wir das. Oder 1990. Weltmeister mit Gianna Nanninis epochalem „Un’estate italiana“. Zugegeben, den Song mussten wir uns ausleihen. Denn selbstverständlich schämen wir uns weiterhin für den einzigen Fehlgriff des großartigen Udo Jürgens, der sein bräsiges „Wir sind schon auf dem Brenner“ mit der Nationalelf vortrug. Oder 2014. Der längst vergessene Andreas Bourani trug die Nation mit „Auf uns“ zum WM-Titel.
So. Und jetzt, Juni 2021? Herzogenaurach. Laut Sportredaktionen plötzlich die Wiege des deutschen Blues. Grund: Ein Auftritt der DFB-Band „Die drei lustigen Vier“ mit Joshua Kimmich, Serge Gnabry und Kevin Volland. Nachdem der DFB sämtliche Playstations konfiszierte und die Blockflöten aus versicherungstechnischen Gründen nicht ins Trainingslager durften, sagte man sich: „Warum nicht Gitarren?“ Und schon hieben Kimmich, Gnabry und Volland auf die unschuldigen Instrumente ein, als wären es die Beine des französischen Stürmers Kylian Mbappé und holten zur fürchterlichsten musikalischen Blutgrätsche aus, die jedes Spielsystem ad absurdum führt: Sie coverten den 90er Hit „What’s up“ der 4 Non Blondes. Keine Ahnung, wie viele Smartphones da beim morgendlichen Toilettencheck der sozialen Netzwerke in der Kanalisation gelandet sind. Natürlich vor Schreck. Und der ließ nicht nach. Denn kurz darauf titelten die Sportmagazine „Rockstar besucht DFB-Elf“. „Digger“, dachte man. Kommt Bruce Springsteen als Vertreter der Arbeiterklasse persönlich in die Home Base des DFB, um die Millionäre zu motivieren? Weit daneben. Es wurde ungleich spektakulärer. Kein geringerer als Peter Maffay performte vor dem England-Spiel seinen Song „Über sieben Brücken musst du gehn“. Wenn das nicht die letzten fünf Prozent herauskitzelt …
Okay. Ernst jetzt. Wie hätte das gegen England nicht schief gehen können? Sorry, aber haben Sie Peter Maffay noch erlebt? Und dann nudelt der noch so eine lahmarschige Bügelsoundtracknummer runter. Aber was macht so etwas mit dem Fußballnachwuchs? Denn was es mit den Profis macht, haben wir ja gesehen. Stichwort Titelperspektive. Kaufen die Kids nun alle Gitarren, gehen die vor lauter Üben nicht mehr ins Training, suchen die im Brockhaus verzweifelt einen Eintrag über Peter Maffay oder singen die traumatisiert vom Ausscheiden gegen England in Endlosschleife „Nach dem zweiten Patzer musst du gehn“? Die Lösung ist einfach, denn wie meinte einst ein großer Musiker unter den Fußballern: „Hymnen, wir brauchen Hymnen!“