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Sven Ferchow. Selfie

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Versprochen ist versprochen …

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Ferchows Fenstersturz 2024/11
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Oh, wie ist das schön, oh, wie ist das schön, so was hat man lange nicht gesehen, so schön, so schön. Zwo. Drei. Vier. Diabolisch kreischend laufe ich seit Tagen durch die Gegend und wische mir dabei Tränen der Erlösung aus dem Gesicht. Chris Martin, Sänger der britischen – räusper räusper – Popband Coldplay hat es wieder getan. Er hat etwas versprochen. Seine Band werde nach zwölf Alben Schluss machen. Zehn Alben haben sie schon auf der Uhr. Schade, dass Chris Martin wohl Dyskalkulie hat. Sie hätten nach einem Album aufhören sollen. Und das ist großzügig aufgerundet. 

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Woher seine Zwölf kommt? Tja, „selbst Bob Marley oder die Beatles hätten nur zwölf Studioalben aufgenommen“, verkündete er in einem Interview. Das oberste Regal also. Meine Freude ist allerdings getrübt. Denn Versprechen sind so eine Sache. Selbst Politiker scheitern daran gnadenlos („Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!“). Und Musizierende ebenso („… wir sind reifer geworden“). Um die Kurve zu Chris Martin zu bekommen. Der ist auch so ein Versprecher. 2019 ging es los. Seine Band wolle nicht mehr auf Tour gehen (bei diesem Halbsatz brach ich einst etwas unmotiviert in Flennerei aus, ohne den Rest gehört zu haben), solange man die Emissionen gegenüber der Tour von 2016/17 nicht halbieren könne. Gemeint waren die CO2-Emissionen. Nicht die durch die Band verübten akustischen Schäden. Um wenigstens 50 Prozent seines 100-prozentigen Versprechens halten zu können (siehe Dyskalkulie), sah das auf der Coldplay Tour 2024 so aus: Menschen, dem Nervenzusammenbruch nahe, trampelten auf dem kinetischen Stadionboden wie eine Herde Büffel, damit ihr Stampfen in Energie umgewandelt wird und diese in einer Showbatterie gespeichert wird. Vermutlich um die vier Bandmitglieder in ihren vier elektrifizierten SUVs vom Stadion ins Hotel zu fahren. Andere Konzertbesuchende dagegen schwangen sich auf so genannte „Power Bikes“ (Ergometer) und radelten wie blöd, um Strom für das Konzert zu generieren. Tolles Erlebnis. Wohl eher für die Generation Greta gedacht. Dass die LED-Bändchen, die während des Konzerts an den vom Sommer verschwitzten Handgelenken des Publikums hingen und Lichteffekte erzeugten, nach dem Konzert wieder eingesammelt wurden, um wahrscheinlich in der nächsten Stadt wieder ausgeteilt zu werden, hinterlässt eher einen ratlosen Beigeschmack. Oder Duft. Noch dazu, wo die Bändchen aus kompostierbarem Material sind. Warum nicht gleich Klamotten tauschen? So von Stadt zu Stadt. Wäre konsequent. Dass Chris Martins Versprechen (zwölf Alben, dann Schluss) keine schlechte Idee ist, bleibt unstrittig. Künstlern wie Jeanette Biedermann, Blümchen, Oli P. oder selbst U2 hätte das nicht geschadet. Nach einem Song aufzuhören. Wir hätten uns viel Leid erspart. Es bleibt die Hoffnung, Chris Martin möge sich in ein paar Jahren an sein Versprechen und speziell an den fehlenden Halbsatz der Überschrift erinnern: „…und wird auch nicht gebrochen“.

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