Staubi ist eine technische Innovation, die direkt in mein Leben eingreift – in diesem Falle positiv. Staubi ist mein neuer Vacuum Cleaning Roboter, dem ich das Thema Sauberkeit für alle horizontalen Flächen in der Wohnung bedenkenlos übertragen kann. Bedenkenlos im Gegensatz zu anderen Innovationen, die dazu neigen, uns zu dirigieren, etwa die Mobilität für jedermann und ihre Folgen bis zum Klimawandel. Oder Kommunikation mit all ihren Auswirkungen auf das menschliche Zusammenleben: der Smartphone-Benutzer als digitaler Höhlenbewohner, der mit anderen Höhlenbewohnern über weite Entfernungen kommuniziert und an die Stelle von Gemeinschaft die Community setzt.
Mit jeder Innovation verschwindet etwas. Als die ersten mit Dampf betrieben Mähmaschinen über die Äcker pflügten, verschwand ein ganzes Milieu von Knechten, Mägden und Tagelöhnern. Die Dampfmaschine hatte gravierende gesellschaftliche Folgen. Neben den Webern entstand aus arbeitslos gewordenen Landarbeitern das Proletariat der frühkapitalistischen Gesellschaften. Verschwunden sind aber auch Dinge aus der Welt der Kreativen, genauer der Sphäre der Musiker. Die Tonleiter ist lange schon lauwarm temperiert. Komponistinnen und Komponisten fließt heute nichts mehr mit der Leichtigkeit des Federstrichs auf Notenpapier. Notensatzprogramme haben längst Einzug gehalten und nicht nur die Produktionsweise, sondern auch Ästhetik und Verwertung komplett verändert. Braucht es heute noch einen Verlag, um einen gut lesbaren digitalen Notensatz herzustellen und zu vertreiben? Selbst das Klavier als Inbegriff der Musikmaschine des 19. und 20. Jahrhunderts wurde abgelöst durch neue Medien, Schallplattenspieler, Tonband, PC und Laptop. Heute formulieren Komponist*innen direkt in die Maschinen. Das Verschwinden geht unmerklich voran und ist doch gleichzeitig ein starkes Indiz für Transformation.
Auch beim Erfinden und Vertreiben von tönend bewegten Formen und Gestalten befinden wir uns mitten in der Zeitenwende. Zurecht fordert aktuell die Initiative Urheberrecht Regularien für den Einsatz von künstlicher Intelligenz für die europäische Wirtschaft und Kultur. Das ist richtig, denn letztlich greift die KI nicht auf einen willkürlichen Korpus von Informationen zu, sondern wird mit Content angelernt, der – zumindest noch momentan – von humanoiden Intelligenzen verfertigt wurde, die dem Urheberrecht unterliegen und die ihre materielle Existenz sichern wollen. Und die KI kann schon viel: Sie ersetzt vielleicht bald Drehbuchschreiberinnen, Schauspieler, Autorinnen und Übersetzer, Designerinnen, Fotografen, Illustratorinnen, Journalisten und Musikurheber*innen. Die Dampfmaschine lässt grüßen.
Die heute schon diffizile soziale Lage der Kreativen wird künftig durch den Einsatz der KI neu gestellt werden. Wird es ein kreatives Lumpenproletariat geben oder gibt es weiterhin das Versprechen der Befreiung vom Joch der Arbeit durch technischen Fortschritt? Geht es uns wie im Märchen des Steinklopferhanns aus dem 19. Jahrhundert, der in einer Vision sagt: „Alles was man denken und sinnen kann, dass nur möglich ist, es rührt der Mensch nit selber seine Händ dran, das haben Maschinen geschaffen, und an den Maschinen sind sie gstanden, die neuen Leut, unverkrüppelt, unverkrümmt, schön, groß, stark, und hat ihn die Gesundheit und die Gscheitheit aus dö Augen gleucht, ist jeder wie ein König an der Maschin gstanden, die er gemeistert hat bis aufs letzte Radl. Juchu, jetzt ist’s Brotkörbl nieder…“ (aus: Ludwig Anzengruber „Die Märchen des Steinklopferhanns“).
Sind die Mitglieder der Initiative Urheberrecht nun Maschinenstürmer oder Visionäre? In ihrer Stellungnahme vom 19. April 2023 haben sie im Namen von 40 in der Initiative Urheberrecht (IU) zusammengeschlossenen Verbänden und Gewerkschaften angemerkt:
„Die ganze Welt war verblüfft, als DALL-E 2 und ChatGPT im Jahr 2022 auf den Markt kamen. Seitdem verfolgt sie mit Erstaunen die beispiellose Geschwindigkeit und das Ausmaß der Verbreitung dieser Systeme. Die Foundation Models der generativen KI haben die vierte industrielle Revolution eingeläutet und werden viele Branchen wie keine andere Form der KI oder des maschinellen Lernens (ML) umwälzen.“
Die Initiative fordert die Regulierung JETZT – denn das Zeitfenster für eine effektive Regulierung des Markteintritts wird sich bald schließen.
Die heiße Phase des Kampfes um die Hoheit von Mensch oder Maschine im Bereich künstlerischen Schaffens hat schon begonnen.
Und auch mein Staubi bekommt womöglich bald ein neues Herrchen – die smarte KI als eigentlicher Herr im Haus.