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Wenige Besitzstände

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Zum Leserbrief „Musikschule und Einkommen“, nmz 12/12
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In ihrem Beitrag „Musikschule und Einkommen“ behauptet Frau Theileis, dass in der Auswertung der ver.di-Studie die Position vertreten werde, „dass musikalische Bildung eine staatliche Aufgabe sei, die in staatlichen Institutionen angeboten werden müsse“, weil es in der (besseren) Vergangenheit so war. Eine derartige Meinung wird an keiner Stelle der Auswertung zum Ausdruck gebracht. Vielmehr beleuchtet die Untersuchung einzig die soziale und finanzielle Situation der Lehrer, unabhängig davon, wo sie arbeiten, und befasst sich nicht mit dem Thema „staatliche“ versus „nicht-staatliche“ musikalische Bildung. An welcher Stelle Frau Theileis diese Aussage gefunden haben will, bleibt rätselhaft. Richtig ist, dass wir grundsätzlich die kommunale (staatliche) Musikschule aus bildungspolitischen und fachlichen Gründen für die bevorzugte Form halten und sie genau deshalb als staatliche Pflichtaufgabe begriffen sehen wollen.

Außerdem vertreten wir die Auffassung, dass die Beschäftigung hochqualifizierter Musikschullehrkräfte zu prekären Bedingungen nicht mehr hingenommen werden kann und dass eine sozialversicherungspflichtige Festanstellung auch in diesem Arbeitsbereich die Regel sein sollte – sowohl an staatlichen als auch an privaten Musikschulen. Wenn Krankheit, Schülermangel, Stundenausfall und geringe Stundenhonorare zu existenzgefährdenden Bedrohungen werden, entwickelt sich die von Frau Theileis bei der Frage zu dem, was Musikschullehrer in heutigen Zeiten wollen, angeführte ,„Individualität“ beziehungsweise „Diversität“ des 21. Jahrhunderts schnell zu einem Alptraum. Und offensichtlich sehen die befragten Lehrkräfte das überwiegend auch so, denn immerhin wünschen sich rund 77 Prozent der Befragten eine Festanstellung. In der heutigen Zeit wird von Arbeitgeberseite gern gegen das angebliche Übel der „Besitzstandswahrung“ argumentiert. Doch scheint die Forderung nach einem einigermaßen zuverlässigen und auskömmlichen Einkommen auch für Musikschullehrkräfte nicht so unangemessen. Auf welche Besitzstände sollte jemand mit cirka 1.000 € brutto im Monat eigentlich noch verzichten? Gerade an privaten Musikschulen haben Lehrkräfte offensichtlich noch weniger Besitzstände, die bewahrt werden könnten, als an staatlichen Musikschulen.

Laut unserer Umfrage bestanden nur 2,5 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse mit privaten Musikschulen als sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle. Daher würde ver.di den bdpm gerne dabei unterstützen, einen Tarifvertrag und verbindliche Sozialstandards für Musikschullehrkräfte auch an privaten Musikschulen zu entwickeln.

Dr. Anja Bossen, Mitglied des Bundesfachgruppenvorstandes Musik und Leiterin der Studien 2008 und 2012

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