Hauptbild
Big Brother - Bild: Die Grünen, Lippstadt
Big Brother - Bild: Die Grünen, Lippstadt
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Wie ich für meinen inoffiziellen Chef, Wolfgang Schäuble, gern offen reportiere

Publikationsdatum
Body

Seit einer gründlichen Verhaltenskorrektur im Ahrtaler Wolfgang-Schäuble-Haus (dem ehemaligen Regierungs-Atombunker, siehe puk Ausgabe Mai/Juni 2007 Seite 40) erhält unser Autor Theo Geißler angeblich immer mal wieder Aufträge aus dem Bundes-Innenministerium… Eine Vor-Veröffentlichung aus der soeben erschienenen Ausgabe 1 - 09 von "politik und kultur", der Zeitschrift des Deutschen Kulturrates:

Sehr geehrter Chef, geschätzter Wolfgang Schäuble –

eigentlich erwarte ich ein kleines Lob: Die Geschichte mit dem Datenklau bei der Berliner Landesbank hat doch wieder mal prima geklappt. Dank der Beta-Version Deines Bundes-Trojaners war der Zugriff ein Kinderspiel. Und ich hoffe, Du siehst mir nach, dass ich die Mikro-Fiches mit den Kreditkarten-Daten an die Frankfurter Rundschau und nicht an die FAZ weitergeleitet habe. Die bei der Rundschau sind immer so herrlich pseudo-altlink etepetete, während man bei der FAZ und ihrer unsicheren Finanzsituation ja hätte befürchten müssen, dass die tatsächlich zuhauf angebliche Abos abbuchen.

Die öffentliche Wirkung unserer Aktion entsprach endlich mal wieder komplett den Erwartungen. Überall Top-Meldungen, noch weit vor dem Wirtschaftskrisen-Gejaule in allen Medien. Maximale Beschädigung des Vertrauens unserer Mitbürger in die Datensicherheit – das befördert doch die Akzeptanz Deines BKA-Ermächtigungs-Gesetzes in der breiten Öffentlichkeit ganz erheblich. Und im Grunde bin ich recht froh, dass wir die Entführung der israelischen Linienmaschine mit finaler Landung im Schloss Bellevue nicht wirklich durchziehen mussten. So haben wir immer noch was in petto, wenn das Gesetz für den Bundeswehr-Einsatz innerhalb unserer deutschen Grenzen auch während der nächsten Legislaturperiode nicht zustande kommen sollte.

Aufs Ganze betrachtet geriet der erwartete Aufschrei unserer Journaille wegen der Abschaffung ihres Informanten-Schutzes ja erstaunlich mau und mickrig. Dein Druck auf die Verleger, Redaktionen zu fusionieren und so ganze widerspenstige, systemkritische Nörgel-Kollektive in die verdiente Arbeitslosigkeit zu entsenden, konnte im Zusammenhang mit der hochkarätigen Subventionszusage wohl doch gut fruchten. Und dass von den Ärzten nichts zu hören war in Sachen „Schluss mit der Verschwiegenheitspflicht“ hab ich offengestanden nicht anders erwartet. Die haben mit der Ordnung ihrer Finanzen im Rahmen der Gesundheits- und Krankenkassen-Reform wahrlich genug zu tun. Außerdem dürften inzwischen sogar etliche dieser Schmalspur-Akademiker schlau genug sein, den Schwindel mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durchschaut zu haben. Trotzdem super, dass Du so viele Details über das Privatleben unserer zuständigen Ministerin Ulla Schmidt kennst.

Was mir noch Sorgen macht, sind so ein paar kleine, besserwisserische Widerstandsnester, die unter dem Fähnlein angeblicher Kreativität unablässig Nadelstiche in die Substanz unserer konzentriert-konzertierten „Aktion Sicherheit“ anzubringen versuchen. Zum Beispiel dieser sogenannte selbsternannte Komponist Johannes Kreidler: Unter dem etwas ekelhaften Titel „Call Wolfgang (2008) - terrorist generated content“ hat dieser Rabauke eine Internet-Aktion installiert, in der Computer ständig miteinander via Voice-over-IP telefonieren und dauernd unsere 92.617 Key-Wörter zur Entdeckung terroristischen Umfeldes verwenden (siehe: http://www.kreidler-net.de/call.html ). Das ist doch eine echte Sauerei. Wieviel analytische Kompetenz und angesichts all der zu kontrollierenden Datenmassen dringlichst benötigte Rechenleistung unserer Behörde wird so absorbiert und vergeudet.

Nur gut, dass wir diese Störenfriede im Großen und Ganzen kennen. Deshalb möchte ich Dich an Deine alte Sehnsucht erinnern und Dich dringend zur Realisierung Deiner schöpferischen Phantasie ermuntern: Wir brauchen ein deutsches Guantanamo. In der Region Rügen liegt bestens abgeschottet doch diese Seuchen-Insel Riems. Von Schweinepest über Vogelgrippe, Milzbrand und Aids sind dort alle Bazillen und Viren vorrätig. Das wäre wahrlich ein angemessenes Zuhause für derartige unbelehrbare und im Grunde eben fundamentalistische Elemente. Da könnten die ihre Immunstärke unter Beweis stellen und stählen. Sollte es rechtliche Bedenken geben – würde ich einfach den Polen irgendeine menschenleere Halbinsel abkaufen, exterritorialisieren und kontaminieren. Die sind doch froh um jeden Euro.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein: vor anderthalb Jahren wurden in den geheimen Druckereien des Schäuble-Hauses Tag und Nacht Tausend-Dollar-Noten gedruckt – seit einigen Wochen hingegen nur noch Euro-Scheine… Au Backe, verstehe! Du bist ja ein raffinierterer Teufel als Stalin, Churchill und Roosevelt zusammen. In diesem Sinne – fahr zur Hölle, Welt-Wirtschaftsordnung – willkommen, Welt-Sicherheitsordnung – ein Heil dem Genie Wolfgang Schäuble – sagt aus zutiefst überzeugter Brust Dein willfähriger Diener
Theo Geißler

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!