Liebe Bundeskanzlerin Angela Merkel, ganz herzlichen Dank für den wunderbaren Dresdener Bildungsgipfel. Wer hätte gedacht, dass Sie in diesen finanzpolitisch doch so unruhigen Zeiten die Muße finden, sich immerhin vier Stunden lang um einen doch eher weichen und bestenfalls mittelfristig wirksamen gesellschaftsformenden Faktor – die Bildung eben – zu kümmern. (Vorabveröffentlichung aus „politik und kultur“ 6-08)
Gratulation auch zu Ihren StyleBeratern. Sie sahen – wie in den letzten Jahren übrigens immer öfter – wirklich toll aus, auch noch bei der abschließenden Pressekonferenz. Ihr Auftritt dort, Ihre feine und doch präzise Wortwahl hat mich total begeistert und mir auch ein wenig zu denken gegeben. Ich finde es ganz richtig, dass Sie die für die Bildungspolitik zusätzlich nötigen Mittel an unser Bruttosozialprodukt koppeln. Damit behalten Sie, und zugleich unsere Wirtschaft, die Zügel voll in der Hand. Denn wer weiß schon, wie wir uns im Rahmen der in allgemein gesellschaftlichem IntNahezu genial finde ich als Kern der zukünftigen Bildungskonzeption Ihre Konzentration auf die so genannten MINTFächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften – Biologie, Chemie, Physik – und Technik). Da hat wohl Ihre eigene sympathische Sozialisierung den richtigen Weg gewiesen. Ja, wir brauchen zuvorderst kluge, bilanzkundige Rechner, taffe, patentfähige Ingenieure und höchstspezialisierte Naturwissenschaftler im Allgemeinen. Sie sollen losgelöst von Ablenkungen wie Kunst, Kultur, vielleicht auch Tourismus und Extremsport effektiv arbeiten können für ihre Firmen. In diesem Zusammenhang, verehrte, liebe Angela Merkel, begreife ich auch Ihr entschiedenes Bekenntnis zur frühkindlichen Erziehung. Denn was nützt uns Deutschen ein jugendlicher, zum Beispiel kurdischer IntegrationsKrüppel – egal welchen Geschlechtes – wenn unsere Muttersprache als Grundlage gerade auch wirtschaftsrelevanter oder technologischer Kommunikation nicht wenigstens funktional beherrscht wird? Stecken Sie die Ziele für den SprachEingliederungsTest in unsere Grundschulen beruhigt sehr hoch – und sorgen Sie bitte für unkomplizierte AbschiebungsVerfahren.
Natürlich gab es aus den einschlägig bekannten Zirkeln auch Kritik. Die Opposition warf Ihnen vor, Sie hätten nur eine PersonalityShow abgezogen, Vorwahlkampf sozusagen, ohne greifbare Ergebnisse und konkrete Ziele. Und unsere Gewerkschaften hatten nichts Bess
In diese Kategorie wäre auch das Gezeter der versammelten Kulturverbände einzureihen. Sie fühlen sich – wie immer – übergangen. Als hätten Sie, liebe Frau Bundeskanzler, nicht gerade Millionen lockergemacht für Film, Tanz und Musik. Es ist wie mit Hunden, denen man einen Knochen hinwirft: Erst streiten sie untereinander – und kaum ist er abgenagt, schon fangen sie wieder an zu knurren. Solange diese „KulturClubs“ keine besseren Argumente haben als das ständige Nachfordern von Geldern für unklare Ziele, würde ich sie komplett von der finanziellen HerzLungenmaschine abknipsen!
Ach: Scheren Sie sich nicht um das Gemecker. Denn kann man das Fundament, zugleich die Vision des Bildungsgipfels charmanter, schöner, kuscheligknackiger (Entschuldigung, manchmal geht meine Phantasie mit mir durch) auf den Punkt bringen, als Sie es getan haben: „Bildung ist die Grundlage uns
Aber Sie, liebe Angela Merkel, kriegen das schon hin. Gerade sind Sie doch aus China zurückgekommen: Ja, auch von den „Schlitzaugen“ kann ausgerechnet eine „SchlitzOhrin“ in Sachen GesellschaftsDisziplin und Erhalt der Wirtschaftsordnung sicher einiges lernen. Bildung ist eben keine Einbahnstraße.
In diesem Sinne ganz, ganz herzlich:
Ihr Theo Geißler
Die aktuelle Ausgabe von „politik und Kultur“, der Zeitung des Deutschen Kulturrates erscheint am 1. November 2008
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