Die musikalienhandlungsfreien Zonen in Deutschland werden immer größer. In den letzten 20 Jahren haben sich die Kosten im Musikalienhandel verdreifacht, die gebundenen Endverkaufspreise für Klassik-Noten aus deutscher Produktion nur verdoppelt. Viele Kollegen konnten diesen Kostendruck nicht auffangen und mussten aufgeben, weitere werden folgen.
International gesehen ist Deutschland inzwischen ein Noten-Billig-Land geworden. Die US-Preise für Noten aus Deutschland liegen um zirka 50 Prozent höher als in Deutschland.
Seit über 20 Jahren stehen die Forderungen, für uns Musikalienhändler auskömmliche Preise festzusetzen.
Denn wer den Ladenpreis bindet, übernimmt damit gleichzeitig die Fürsorgepflicht für das Sortiment. Wir Sortimenter können dem Druck zwischen den Mühlsteinen nicht mehr standhalten. Bald sind auch die Letzten von uns zermahlen.
Ist es die Erfüllung der Fürsorgepflicht,
- wenn bei der damaligen Umrechnung von DM zu Euro die Preise für Noten zum Teil gesenkt wurden?
- dass teilweise Skonti gestrichen und Partiebezug nicht mehr möglich ist?
- wenn aus Konkurrenzgründen der Verlag B. seine Preise für gleichartige Produkte, die auch im Verlag C. erscheinen, senkt? Wobei der Verlag B. offensichtlich die Qualität seines eigenen Produktes so niedrig einschätzt, dass der vorherige etwas höhere Preis durch Qualität gerechtfertigt wäre.
Und das alles bei deutlich gestiegenen Anforderungen der Kundschaft an das Sortiment.
Als vor einigen Jahren der Musikverlag P. die Notwendigkeit zu Preiserhöhungen endlich erkannte und seine Preise kräftig erhöhte, zogen seine Kollegen-Verlage nicht mit, im Gegenteil: Sie sahen darin einen Vorteil für sich. Der Verlag P. musste seine Preiserhöhungen zum Teil rückgängig machen.
Weiterhin nicht einzusehen ist, weshalb immer mehr Musik-Bücher und Noten zu „wissenschaftlichen“ Ausgaben erklärt werden und somit mit äußerst niedrigen Rabatten an das Sortiment abgegeben werden. Ebenso werden moderne (urheberrechtlich geschützte) Musiknoten auch mit verminderten Rabatten in Rechnung gestellt, obwohl es schwieriger ist, moderne Musik im Vergleich zu den Klassikern zu verkaufen.
Zur Profitmaximierung trägt auch bei, dass manches bisher käufliche Noten-Material nicht mehr nachgedruckt wird. Es wird umgewandelt in Leih-(Miet-)Material, bei dessen Auslieferung das Sortiment mit einer unglaublichen Provision von zehn Prozent bedacht wird.
Auch als einige Verlage Orchestermaterial-Stimmen nur noch satzweise anboten, waren diese nicht bereit, bei Sortimentern in Einzelstimmen liegendes Material zurückzunehmen. Bei uns liegt somit totes Kapital in Höhe von mehreren tausend Euro fast unverkäuflich fest gebunden.
Da immer mehr Verlage ihre Kataloge ins Internet stellen und einen Shop unter eigenem oder anderem Namen diesem Katalog angeschlossen haben, machen sie ihren Kunden – dem Sortiment – nunmehr auch direkt Konkurrenz, ja, sie gehen noch weiter, indem sie Teile ihrer Produktion direkt abladbar – gegen Entgelt – dem Musiker zur Verfügung stellen.
Unter dem Deckmantel „Urtext“-Ausgaben (nicht geschützte Bezeichnung) als dringende Notwendigkeit auf den Markt bringen zu müssen – jede neue Ausgabe ist urtextiger als die davor – machen Musikverlage sich untereinander immer mehr Konkurrenz. Der Bedarf an einem bestimmten Werk wächst eben nicht mit der Anzahl der am Lager zu haltenden Ausgaben. Noten sind nun einmal ein langlebiges Wirtschaftsgut, aus ihnen kann man auch noch nach 100 Jahren genauso gut spielen wie damals, wenn man auf musikwissenschaftliche Feinheiten verzichtet.
Die Frankfurter Musikmesse beschert uns in jedem Jahr tausende von Neuerscheinungen gedruckter Musik. Falls jemand jedoch glauben sollte, dass es sich dabei nur um Überraschungen handelt, so irrt er. Es ist wohl manches dabei, was schon vor vielen Jahren als Neuerscheinung angezeigt wurde. Das Sortiment jedoch muss diese Werke, von denen Kunden in Vorankündigungen gelesen haben, als Vormerkungen führen und seinen Kunden erklären, dass es selbst nicht schläft, sondern der Verlag nicht liefert.
Wie könnte nun eine Lösung dieser Probleme aussehen?
- Kosten können wir nicht mehr senken.
- Eine Umsatz-Steigerung ist bei der derzeitigen Wirtschaftslage ausgeschlossen.
- Bessere Konditionen vonseiten der Verlage werden uns verweigert.
- Angemessene Erhöhungen der gebundenen Ladenpreise werden schon seit 20 Jahren nicht vorgenommen.
- Müssen wir uns erst an Brüssel wenden, um die Ladenpreisbindung für Musiknoten aufheben zu lassen, damit wir überleben können?
Wir werden das Jahr 2006 abwarten, ob die deutschen Musikverlage ihrer Pflicht nachkommen werden, die ihnen durch das Preisbindungsgesetz auferlegt wurde.