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www.beckmesser.de 2012/04

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Die schönen Piratenlügen
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Diesmal machen wir es wie Kim Schmitz von megaupload.com oder YouTube und stellen fremden Content in die Beckmesser-Kolumne: den leicht gekürzten Wortlaut eines Interviews, das der Rockmusiker und Buchautor Sven Regener der „Zündfunk“-Sendung des Bayerischen Rundfunks gab. Befragt nach seiner Meinung zu den Autorenrechten, antwortete er mit einer saftigen Kritik am musikalischen Gratiskonsum im Netz und an der verlogenen Symbiose von Großkonzernen und musikliebenden Piraten. Diese sind nun entsprechend empört. Originalton Regener:

Wir machen keine Verträge beziehungsweise gehen keine Geschäftsbeziehungen mit Plattenfirmen ein, weil wir doof sind oder weil wir etwas zu verschenken haben, sondern weil wir sonst unsere Musik nicht machen können. Das Problem, das ich dabei habe, ist: Man wirkt uncool, wenn man sagt: hier Urheberrecht und so. Aber es wird so getan, als ob wir Kunst machen würden als exzentrisches Hobby. Und das Rumgetrampel darauf, dass wir uncool seien, wenn wir darauf beharren, dass wir diese Werke geschaffen haben, ist im Grunde genommen nichts anderes, als dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: „Euer Kram ist eigentlich nichts wert. Wir wollen das umsonst haben, wir wollen damit machen können, was wir wollen, und wir scheißen drauf, was Du willst oder nicht.“ Die Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert.

Das einzig Wahre am Rock’n’Roll ist, dass wir jede Mark, die wir bekommen, selber verdienen. Die bekommen wir von Leuten, die sagen: „Ja, das ist mir was wert, ich gebe 99 Cent aus für dieses Lied.“ Das macht den Rock’n’Roll groß. Alles andere ist Subventionstheater, ist Straßenmusik. Aber ich möchte kein Straßenmusiker sein. Das ist halt eine Frage des Respekts und des Anstands. So wie es auch eine Frage des Respekts und des Anstands ist, nichts im Supermarkt zu klauen, selbst dann, wenn man wüsste, dass man nicht erwischt würde. Zu glauben, man könne auf Plattenfirmen verzichten und dann würde man immer noch dieselbe Art von Musiklandschaft vorfinden, wie wir sie jetzt haben oder vielleicht vor zehn Jahren gehabt haben, ist ein großer Irrtum. Und den Leuten, die in den Plattenfirmen arbeiten – das ist ja kein cooler Job mehr, und es sind immer weniger – zu erzählen, ihre Arbeit sei scheiße: Das ist schon ganz schön dreist.

Die Leute zwischen 15 und 30 Jahren haben keine eigene Musik mehr. Die kleinen Indie-Labels, die vor allem ein studentisches Zielpublikum hatten, sind alle weg. Was bleibt, ist Volksmusik, deutscher Schlager und Rockmusik für die Älteren. Der Rest dazwischen ist tot. Und das ist nicht lustig. Und das Problem ist, gerade wenn man Indie-Rocker ist: Das letzte, was man gebrauchen kann, ist uncool dazustehen. Das ist sozusagen das Tödlichste, was einem passieren kann. Also halten alle schön die Schnauze und den Kopf unten. Und schauen zu, wie die Sache immer weiter den Bach runtergeht. Und zu glauben, irgendwann käme das Sozialamt um die Ecke und würde die Bezahlung der Künstler übernehmen, und dann würde noch gescheiter Rock ’n’ Roll rauskommen, das kann man knicken.

Und dann was wir im Augenblick haben mit YouTube, da muss man mal die Fronten klären. YouTube gehört Google, das ist ein milliardenschwerer Konzern. Die sind aber nicht bereit, pro Klick zu bezahlen. Nun hat aber weder YouTube noch Google uns irgendwas zu bieten außer dem, was andere Leute geschaffen haben und was da reingestellt wird. Da sind wir an dem Punkt, wo die Musiker sagen und die GEMA sagt – die GEMA sind letztendlich wir, die Komponisten und die Textdichter – Nein. Für dieses Geld kriegt ihr unseren Kram nicht. Wir sehen nicht ein, dass Milliardengeschäfte gemacht werden, auch mit Werbung in diesem Bereich, und wir kriegen davon nichts ab, wir sind sozusagen die Penner in der letzten Reihe. Das ist eine Unverschämtheit. Und das sollte sich jeder auch junge Mensch genau überlegen, ob er sich wirklich zum Lobbyisten von so einem milliardenschweren Konzern wie Google machen möchte. Das sind große Lobbyverbände, diese Internetfirmen, und viel stärkere als zum Beispiel die Plattenindustrie. Und die bringen dann als Hilfstruppen die ganzen Deppen ins Spiel, die sagen: „Warum kann ich denn dieses Video nicht auf YouTube gucken?“ Ja, dann guck’s halt woanders! Unsere Videos kann man alle auf element-of-crime.de gucken, da muss man nicht zu YouTube gehen. Tut mir leid, gibt’s dann eben nicht bei YouTube, bis die nicht bereit sind, dafür auch etwas zu bezahlen. Denn ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, dass diejenigen, die den Inhalt liefern, nichts bekommen, das ist kein Geschäftsmodell. Das ist scheiße. Und ansonsten können sie sich ja alle ihre Lieder von Kim Schmitz vorsingen lassen.

Mir steht’s wirklich bis hier, ich kann das alles nicht mehr hören. Ich kann vor allem die ganzen asozialen Leute nicht mehr hören, die sagen: Die Künstler sind sowieso nur Nutten, wenn sie es für Geld machen. Die Leute haben für alles Geld, aber wir sollen es umsonst machen! Was soll das? Auch der Begriff „Piratenpartei“ ist geistiges Eigentum, und wenn ich morgen hier eine Piratenpartei gründe, steht eine halbe Stunde später der Anwalt der Piratenpartei auf der Matte. So sieht’s nämlich aus! Der örtliche Chef der Piratenpartei hier hat eine Firma und die machen Apps fürs iPhone. Das ist ein geschlossenes System, hundert Prozent Copyright, mit Anwälten und allem Drum und Dran. Und der Typ sagt: „Ja, hier ist alles schön frei.“ Aber ich möchte mal sehen, was passiert, wenn ich sein Programm, das er da gerade verkauft, knacke und ins Internet stelle, für jeden zum freien Runterladen und Installieren auf seinem iPhone. Dann habe ich die Anwälte von iTunes auf dem Hals, bevor ich überhaupt das Ding hochgeladen habe. Das sind dieselben Leute. Diese ganze Verlogenheit – das ist reines Banausentum, und es geht immer nur gegen die Künstler.

PS: Wir sind natürlich nicht Kim Schmitz und auch nicht YouTube, weshalb wir Sven Regener die Hälfte dieses Beckmesser-Honorars angeboten haben. Er hat darauf verzichtet. Danke, Sven.

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