Es gibt nichts Schlimmeres als einen jammernden deutschen Künstler. Es sei denn, die gesamte Waschlappentruppe rottet sich zusammen und jault miteinander. So geschehen am 25. April 2008. Über 200 dahin darbende Künstler, gebeutelt vom steuerlichen Joch der Scheinselbstständigkeit, veröffentlichten unter dem dynamischen Motto „Tag des geistigen Eigentums“ einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel. Grundtenor: Wir können uns pro Jahr nur noch einen Maybach leisten, weil das deutsche Volk zu Download-Piraten mutiert. 300 Millionen illegale und damit kostenlose Downloads, so eine von Musikindustrie-Lobbyisten kolportierte Zahl, gehen den Künstlern angeblich durch die ausgemergelten Händchen. Nun, das Geflenne ist nicht neu. Und weil die Kohle knapp wird, musste der Bundesverband Musikindustrie e.V. die Armuts-Kampagne finanzieren: ganzseitige Anzeigen in relevanten Printmedien; da dürften trotz vereinbarter Product-Placements (das moderne Skonto der Medienhäuser) ein paar Hunderttausender verbrannt worden sein.
Mal nebenbei: Wird so ein e.V., zumal er sich der Kunst verschrieben hat, nicht steuerlich bevorteilt? Zahle am Ende ich über Umwege diesen Feldzug? Dann lesen Sie mal, was ich und wahrscheinlich Sie, also wir, für unser Geld bekommen und wer diesen Hilferuf signiert hat, weil er sich betrogen fühlt: René Kollo zum Beispiel. Sie lesen richtig. Lebt dessen Zielgruppe eigentlich noch? Das Grauen geht weiter: Wer hat denn dem Casting-Horrortrio Alexander Klaws (formerly known as the winner of DSDS), Yvonne Catterfeld (personally casted by Dieter B.) oder Monrose (PRO 7-Leibeigene) den Wahnwitz verzapft, Menschen würden kostenlos, also freiwillig, ihre Musikdateien laden? Den Schotter möchte garantiert niemand geschenkt haben. War eben ein Zettel mehr, den die Popsklaven brav aber hirnlos unterschrieben. Der größte Marketing-Coup der Aktion ist hingegen, dass es ein großer Unbekannter geschafft hat, Künstlern wie BAP, Dieter Thomas Kuhn, Stefan Waggershausen, Oomph! oder Udo Lindenberg zu verklickern, dass sie überhaupt noch Platten verkaufen. Und deswegen unterschreiben müssen. Sensationell. Dem Herrn gebührt ein Grimme-Preis.
Alles in allem eine typisch deutsche Aktion. Aufgeblähtes Gegackere, ein Volk unter Generalverdacht , aber kein Versuch, das Übel an der Wurzel zu packen. Stattdessen: Auffrisierte Schulbandwettbewerbe, die in Marketing-Seifenblasen platzen und deren Protagonisten selten in der Branche, doch immer öfter in der Spätschicht bei McDonalds enden. Oder Kommissionen, Konferenzen und Kuratorien, die sich in Ahnungslosigkeit übertrumpfen und schließlich empört mit den durch die Buffets gekrümmten Gichtfinger auf das Internet zeigen: „Du bist Schuld!“. Stimmt nicht. Schuld ist der Euro. Danke Helmut.