Musik kann schon ein richtiger Weichmacher sein. Blinde werden sehend, Taube hörend und Menschen brav, vor allem aber Letzteres. Da werben die auf der Abschussliste des Berliner Senats stehenden Berliner Symphoniker in U-Bahnen mit dem Slogan „Kinder, die musizieren, kommen nicht auf dumme Gedanken” (wie zum Beispiel ohne Führerschein in einen Gurkentransporter zu fahren), das internationale Büro der Jeunesses musicales hat eine Plakatserie hergestellt, auf der die gesellschaftlichen Verlierer hoffnungsfroh auf die Rettung durch Musik hingewiesen werden – warum also länger Telefonzellen einschlagen, so wie wir es früher normalerweise gemacht haben, einfach ein Schlagzeug kaufen. Und den salomonisch artigen Spruch unseres Innenministers über den Zusammenhang von Musikschulen und innerer Sicherheit mag und braucht man gar nicht mehr zitieren.
Prima: Musik hat ihren gesellschaftlichen Standort endlich erhalten, nämlich den der Sozialhygiene und Gewaltprävention. Nix mit Rolling, nix mit Stones. Musikmachen ist wie Kiffen, nur besser, weil in der Regel straffrei. Musikhören dagegen nicht. Das durfte ein lautstark HipHop emissierender Autofahrer in Miami am eigenen Leibe erfahren, den sein Richter zum Abhören einer Puccini-Oper verurteilte – alternativ 500 US-Dollar Bußgeld. Was dieser eigentlich ganz pfiffige Richter in Deutschland machen würde? Stadtverwaltungen verklagen wegen der von ihnen zugelassenen Zwangsbeschallung von Bahnhöfen und anderen öffentlichen Gebäuden, oder weiter noch der – wegen verminderter Auswahlmöglichkeiten – öffentlich-rechtlichen und privaten Musikduschen in Radio und TV? Ach was, das alles dient der Gewaltabwehr und Befriedung. Jugendliche, die Viva glotzen, sichern den inneren Frieden. Es ist ein Faktum: Terroristen gibt’s ja in Deutschland seit den Musikextremisten Helmut Lachenmann und Modern Talking praktisch auch nicht mehr. Eigentlich sind wir ein glückliches Volk. Eigentlich. Peace!