Über den bekannten Kumpel will er eigentlich kein Wort verlieren. Nicht, dass sich die beiden inzwischen spinnefeind wären. Im Gegenteil: „Wir haben nach wie vor Kontakt und schätzen uns. Nur momentan spielen wir halt nicht miteinander. Über all die Jahre sind wir wirklich Freunde geworden.“ Irgendwie nervt es aber tierisch, wenn in jedem Programmheft zwischen Bilbao und Kopenhagen von „Joshua Redmans Pianist“ die Rede ist.
Dabei kann der 40-jährige, aus Boston stammende und heute in Brooklyn lebende Pianist durchaus auf eine famose musikalische Karriere zurückblicken, die keinerlei prominente Steigbügelhalter nötig gehabt hätte. Im Prinzip standen Aaron Goldberg von Anfang an sowieso alle Türen offen. Denn nicht jeder kann einen Abschluss an der Elite-Uni Harvard sein Eigen nennen. Er schon. Dass er sich dennoch für eine Musikerlaufbahn entschieden hat, entsprang seinem überreichen Talent an den schwarzweißen Tasten, die sie in Harvard mit dem „Clifford Brown/Stan Getz Fellowship Award“ und ein Stipendium im „Betty Carters Jazz Ahead“-Programm auf den Weg brachten. Neben Redman wurden in den 1990er-Jahren auch noch Wynton Marsalis, Kurt Rosenwinkel, Mark Turner, Terry Gibbs, Buddy DeFranco und eine Reihe anderer auf den smarten Sonnyboy aufmerksam. Der jedoch hatte von Anfang an nur eines im Blick: seine eigenen Projekte zu realisieren, möglichst noch mit seinem eigenen Trio.
„Seit damals haben sich die Musikwelt im Allgemeinen und der Jazz im Besonderen grundlegend verändert“, grübelt Aaron Goldberg an diesem Sonntagvormittag in seinem Hotelzimmer in Neuburg sitzend und blickt auf die vorbeifließende Donau. Am Abend zuvor schien es eher, als würde bei seinem Konzert im ausverkauften Neuburger „Birdland“-Jazzclub die Zeit still stehen. Er und seine Dauerpartner Reuben Rogers (Bass) und Eric Harland (Drums) bedienten sich aus der prall gefüllten Schatztruhe alter Meister wie Art Tatum oder Fats Waller und schmückten deren kostbaren Inhalt mit brasilianischen Rhythmen, Sounds aus dem Mittleren Osten, urbanem New Yorker Swing und groove-tauglichen Popsongs. „Natürlich geht es heute überall darum, etwas auf die Beine zu stellen, das den Leuten gefällt. Dabei sollte man aber niemals den Fehler begehen und sich um des kommerziellen Erfolges wegen zu verbiegen. Wer nicht ehrlich zu sich selbst ist, der hat schon verloren!“
CDs, sagt Goldberg, könne man längst in Eigenregie für schlappe 1.500 Dollar herstellen. Mit einer kleinen Clubtour sei das Geld schnell wieder drin. Goldberg ist anders. Nicht konservativ, sondern konsequent. Wenn er veröffentlicht, dann auf einem kleinen, aber feinen und vor allem seriösen Label. „The Now“ (Sunnyside/Harmonia Mundi), seine aktuelle Standortbestimmung mit Rogers und Harland, wirkt trotz aller angeblich verkaufshemmender Klischees wie „Trio“ oder „Swing“ erfrischend modern, elegant kunstfertig und gerade deshalb auf eine unaufdringliche Weise angenehm ins Ohr gleitend. Nach „Turning Point“ (1999), „Unfolding“ (2001), „Worlds“ (2006), „Bienestan“ (2011) und „Yes!“ (2012) ist es sein mittlerweile sechstes Album unter eigenem Namen. „Alle sind sie ohne diesen unbedingten Verkaufsdruck entstanden“, lächelt der Pianist. „Je größer er zu werden scheint, umso mehr kann ich mich davon lösen.“ Ergo müsste sein jüngstes Werk sein bislang bestes sein. Welch herrlich antizyklische Logik!