„Was singt der da?“, dürften sich wohl die meisten fragen, die das neue Album des Schweizer Sängers und Vokalartisten Andreas Schaerer hören. Dafür ins Studio gegangen ist er mit den bewährten Komplizen Luciano Biondini (Akkordeon), Kalle Kalima (Gitarre) und Lucas Niggli (Schlagzeug). Herausgekommen sind die auch als „A Novel of Anomaly“ firmierenden Vier mit nicht weniger als einem Meisterwerk, das die Beantwortung der eingangs gestellten Frage plötzlich sonnenklar erscheinen lässt. Doch dazu später.

Andreas Schaerer. Foto: Robert Fischer
Andreas Schaerer im Studio
Dass Andreas Schaerer, ich sage das mit größtem Respekt, ein bisschen „dada“ ist – ein Musiker nämlich, der den Esprit, den Humor und die Kunst der Dadaisten zu neuem Leben zu erwecken mag –, das kann man spätestens wissen, seit er mit seiner Band „Hildegard Lernt Fliegen“ die kleinen, großen und größten Bühnen zu erobern begann. Aber was macht ein Sänger, der eine solche Ausnahmeerscheinung ist wie sonst vielleicht nur noch sein Landmann Christian Zehnder, wenn er nicht zum wiederholten Male auf das reduziert werden möchte, was nur sehr unzureichend als „Vokalartistik“ beschrieben wird und ein unfassbar reiches Maß an Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme meint? Nun, er singt. Auf dem zuletzt von ihm erschienenen, mit Kalle Kalima und Tim Lefebvre eingespielten Album „Evolution“ machte er das mit englischen Texten, was ein bisschen den Effekt hatte, als würde da einer, der sonst auf dem Seil tanzen und Salti springen kann, diesmal nur auf dem Boden bleiben. Auf dem neuen Album indes, zu dem alle Mitglieder der Band ungemein spannende, energetisch fließende Kompositionen beigesteuert haben, hat die gesungene Sprache keine andere Bedeutung mehr, als die, zu klingen. Was also beim ersten Hinhören durchaus bestimmte Sprachassoziationen weckt, bleibt doch in jedem Fall: reinster Klang. Und zwar, so stellt man sich das im schönsten Fall vor: intuitiv parallel zum Entstehen der Musik erfundener Klang. Er selbst sagt dazu: „Es hat mich schon immer interessiert, mit diesem Bruch zu spielen, wo sich Inhalt auflöst und Sprache nur noch Klang ist, trotzdem aber noch genug sprachliche DNA hat, um weiterhin als solche verstanden zu werden. Das ist fließend, ein spielerischer Ort. Auch Kinder sprechen ja viele Fantasiesprachen.“
Das Spielerische, Fantastische ist es dann auch, das im Ergebnis sofort überzeugt. Als Kind sei „jeder ein Künstler“, hat Picasso mal gesagt. Dann fügte er hinzu, die Schwierigkeit läge darin, „als Erwachsener einer zu bleiben“. Andreas Schaerer, möchte man meinen, ist das meisterlich gelungen. Oder um es anders zu sagen: Andreas kann (längst) fliegen. Und so beantwortet sich auch die eingangs gestellte Frage fast von selbst: Der singt Musik.
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