Wer dem norwegischen Pianisten, Komponisten und Schriftsteller Ketil Björnstad begegnet, bekommt es mit einem ungemein gelassenen, ausgeglichenen und sehr reflektierten Menschen zu tun. Nichts deutet zunächst auf die Schaffenswut des 49-Jährigen hin.
Wer dem norwegischen Pianisten, Komponisten und Schriftsteller Ketil Björnstad begegnet, bekommt es mit einem ungemein gelassenen, ausgeglichenen und sehr reflektierten Menschen zu tun. Nichts deutet zunächst auf die Schaffenswut des 49-Jährigen hin.Doch dessen Vita ist die eines Getriebenen: Bereits mit zarten 16 Jahren führte er als Klaviersolist mit dem Philharmonischen Orchester Oslos Béla Bartóks „Piano Concert No. 3“ auf, studierte in Oslo, Paris und London, gründete früh eigene Jazzgruppen. Bei uns ist er vornehmlich durch seine ECM-Aufnahmen bekannt, etwa die Duos mit dem Cellisten David Darling, oder seine Gruppe „The Sea“ (mit Darling, Terje Rypdal und Jon Christensen). In Norwegen kennt man ihn zudem als fleißigen Autor, aus dessen Feder bislang die Zeilen zu gut zwanzig Büchern flossen, darunter Aufsehen erregende Roman-Biografien über den Maler Edvard Munch und den Komponisten Edvard Grieg, beides Landsleute. Auch der Tonsetzer Ketil Björnstad weiß um seinen Stellenwert in der Heimat. So erhielt er vom norwegischen Königshaus den Auftrag, ein Stück zur Jahrtausendwende 1999/2000 zu schreiben. Auch hier zu Lande ist er omnipräsent. Mit „Early Years“ (Emarcy/Universal) erschien gerade ein Werk, das die Frühphase seines musikalischen Schaffens dokumentiert und einen schönen Kontrast zu seiner heutigen Klangwelt bildet, dann gibt es mit „Grace“ (Emarcy/Universal) ein aktuelles Album, das auf wunderbar elegische Weise die Texte des englischen Metaphysikers und Lyrikers John Donne (1572–1631) in fast schon symphonische Songs umsetzt; und schließlich kann man in hiesigen Buchgeschäften „Erlings Fall“ (Insel Verlag, ISBN 3-458-17054-5) erstehen. Der Roman, der Elemente eines Thrillers besitzt und doch keiner ist, erzählt die tragische Geschichte eines Mannes, der mitten in der tiefsten Midlife Crisis steckt, von der Frau verlassen, die mit einem Jazzmusiker (!) durchgebrannt ist, vom Job als Amtsrichter beurlaubt.Er sucht sein Heil an der Seite eines Abenteurer-Freundes, doch auch sein Selbstfindungstrip endet in der Katastrophe. Alles läuft auf das fatale Ende zu, das man nach dem ersten Absatz schon erahnt.
„In der Literatur ist es möglich, einen Satz zu lesen, das Buch abzusetzen und über das gerade Gelesene zu reflektieren. Musik hingegen kann man nicht aufhalten, sie ist viel direkter“, sagt Ketil Björnstad über die beiden Gebiete, denen seine ganze künstlerische Aufmerksamkeit gilt. „Kunst bedeutet Gnade, Hilfe, Trost. Auch das traurigste Buch kann wie die Hand sein, die einem gereicht wird. Als ich das Buch über den Maler Edvard Munch schrieb, hatte ich es mit einer Person zu tun, die voller Einsamkeit, Trauer, Tragik und Ängste war. Trotzdem hatte meine Beschäftigung mit der Person Munchs etwas Befreiendes, hat mich die Auseinandersetzung mit ihm stärker gemacht. Kunst vermag Dinge zu kommunizieren, die mit Worten nicht möglich sind.“