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Jasper Hoiby in der Spiegelumkehrung. Foto: Ssirus W. Pakzad
Jasper Hoiby in der Spiegelumkehrung. Foto: Ssirus W. Pakzad
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Die Stadt ist der Star

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Jazz & the City: ein Streifzug durch das andere, das jazzige Salzburg
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Mit „Blind Dates“ ist das so eine Sache. Ist man sich gleich sympathisch? Werden Erwartungen erfüllt oder gar übertroffen? Kommt es zu einem Austausch von Peinlichkeiten? Sind alle Beteiligten heilfroh, wenn das tête-à-tête endlich vorbei ist? Ist er, sie, es, der, die, das Richtige?

Als die Hamburgerin Tina Heine vor zweieinhalb Jahren die künstlerische Leitung von „Jazz & The City“ in Salzburg übernahm, wurde gleich klar, worauf es der einstigen Mitinitiatorin des „elbjazz“-Festivals ging: sie wollte die Mozartmetropole über mehrere Tage zu einer Begegnungsstätte machen. Im letzten Jahr schon brachte sie etwa Musiker, Künstler, Architekten und Städteplaner zum interdisziplinären Brainstorming zusammen. In ihrem dritten Amtsjahr hat sie die Idee des Austauschs mit ungewissem Ausgang noch weiter getrieben. Es fing schon damit an, dass kaum einer, der zum Programm von Jazz & The City beitrug, nur schnell anreiste und gleich wieder abdüste. Nein, die meisten blieben über den gesamten Zeitraum der fünftägigen Veranstaltung – manch einer sogar als „artist-in-residence“.

Weil Tina Heine um die Spontaneität von Jazzmusikern weiß, bat sie einige ihrer Gäste, sich auf dem Festival einen Partner zu suchen und vor Publikum ein „Blind Date“ abzuhalten. Staunend stellten Besucher des Künstlerhauses fest, wie unglaublich gut Pianist Pablo Held und Geiger Mark Feldman nach kurzem Abtasten miteinander harmonierten. Im Weinarchiv des Arthotels „Blaue Fans“ wurden gut sechzig Zuhörer Zeuge, wie sich die Sänger Andreas Schaerer und Leïla Martial um einen Dialog bemühten, der durchaus überraschende Momente enthielt, am Ende aber zu folgendem Fazit führte: Die beiden mögen sich. Geheiratet aber wird nach alle Wahrscheinlichkeit nicht.

Der derzeit allgegenwärtige Kärntner Bassist Lukas Kranzelbinder hatte mit dem Deutschen Robert Landfermann und dem Dänen Jasper Høiby zwei Tiefton-Kollegen zum gegenseitigen Beschnuppern ins Traklhaus eingeladen – die drei verstanden sich prächtig, trotz höchst unterschiedlicher Ansätze. Sie gingen als beste Freunde auseinander – schade, dass sich eine solche Konstellation nicht so leicht wird wiederholen lassen.

Vielleicht liegt der Reiz von „Jazz & The City“ auch darin, dass hier viele im mehrfachen Sinne einmalige Dinge passieren – und das in so vielen, solch reizvollen, solch ungewohnten Locations, dass selbst Einheimische ihr Salzburg von einer ganz anderen Seite kennen lernen können.

Kaum eine Stadt bietet auf derart überschaubarem Raum eine solche Menge an Auftrittsmöglichkeiten – auch Dank der großen Bereitschaft von Vielen, die im Altstadt-Verband zusammen organisiert sind und ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Im Landestheater, im Mozarteum, in Kirchen, Clubs, Galerien, Restaurants, Cafés, Brauereien, Shops, Party-Kellern und erstmals sogar im Mirabellgarten fanden Events bei freiem Eintritt statt. In gut hundert Konzerten wurden die Musiker vom jeweiligen Ambiente, aber auch vom aufgeschlossenen, neugierigen Publikum zu Höchstleistungen animiert. Phronesis, die „Fellow Creatures“, das Pablo Held Trio & Ralph Towner, Leïla Martials „Baa Box“, Nes, Papanosh und viele andere – die selbst eifrigste Kritiker nicht alle gehört haben können – lieferten berauschende Auftritte ab.

Das Interessante, ohne jetzt konkrete Namen zu nennen: selbst wenn musikalisch mal etwas nicht so gut funktioniert, ist das in Salzburg letztendlich wurscht. Denn bei „Jazz & The City“ ist die Stadt der Star, ist die Gesamt-Atmosphäre entscheidend. Die Salzburger und die Vielen, die von überall her zum Festival strömten, flanierten irgendwie beseelt durch die Stadt, begegneten dabei Musikern, die mit Instrumenten zu „Klangspaziergängen“ aufgebrochen waren, schnupperten hier mal herein, mal dort und selbst Kundige staunten nicht schlecht, was unter dem Begriff „Jazz“ musikalisch alles möglich ist.      
Wer „Jazz & The City“ mal erlebt hat, fiebert bestimmt schon dem nächsten Jahrgang entgegen.

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