An sich ist die CD „Austropop in Tot-Weiß-Tot/2000 Jahre sind genug“ ein Glanzstück der Selbstironie auf die ergraute österreichische (und auch deutsche) Pop- und Rockszene. „Lange nicht mehr so herzhaft gelacht“ ist das unisono artikulierte Qualitätsmerkmal, mit dem diese Scheibe über die angejahrten Vorstreiter alpenländischer Rockkultur und deren physisches und tonales Altenteil herzieht.
Der Regierungswechsel in Österreich hat auch Auswirkungen auf das kulturelle Leben. Die Probleme mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis waren offensichtlich nur der Auftakt. Jetzt wurden „Klaus Eberhartinger & Die Gruftgranaten“ (aka „EAV – Erste Allgemeine Verunsicherung“) vom Bannstrahl getroffen. Grund: sie setzen sich im Lied „Valerie Valera – Haiders Sprung in seiner Schüssel“ auf ihrer aktuellen CD mit der politischen Situation in ihrer Heimat auseinander. Eberhartinger: „Es zeigt sich, dass es jetzt schon eine eigene Definition von Kultur gibt“. An sich ist die CD „Austropop in Tot-Weiß-Tot/2000 Jahre sind genug“ ein Glanzstück der Selbstironie auf die ergraute österreichische (und auch deutsche) Pop- und Rockszene. „Lange nicht mehr so herzhaft gelacht“ ist das unisono artikulierte Qualitätsmerkmal, mit dem diese Scheibe über die angejahrten Vorstreiter alpenländischer Rockkultur und deren physisches und tonales Altenteil herzieht.Auslöser der politischen Querelen ist ein Lied von 27 (!) auf dieser CD. Textauszug: „Schau mal, jetzt bin ich Kanzler, sagt der Wolfgang zur Mama / hüpft vor Freude wie ein Tanzbär und kriecht dem Haider in den Aaaa... / Der kniet vor der Synagoge um sich zu rehabilitieren / und sollte das noch nicht genügen, wird er einen Neger adoptieren ... / ... Doch am Horizont ist Hoffnung, da steht ein riesengroßes Klo / Dorthin zieht’s die beiden Helden / und ihr Abgang der klingt so...“ (Anmerkung: Gimmick Klospülung). Schlussendlich wird Kanzler Schüssel noch der Spruch in den persiflierten Mund gelegt: „Jetzt hab’ ich mir ‘s Mascherl schmutzig g’macht / sind lauter braune Würschtl dran...“Die ersten Kommentare von Journalisten auf die CD-Präsentation waren: „Ihr traut’s Euch was“, erzählt Klaus Eberhartinger der nmz. Aber wenn diese Nummer schon bedeute, dass man sich was traue, so der Sänger und Texter, dann sei es höchste Zeit, dass man noch viel schärfere Lieder schreibe. Der FPÖ-Generalsekretär Westenthaler, so Eberhartinger, „war erst aufgebraust, hat dann aber gebremst“. Es sei ihm „wohl auch gekommen, was er denn überhaupt einklagen möchte“. Im Song würden nur Original-Haider-Zitate verwendet. „Aber die Reaktionen kommen inzwischen hinten herum“, fährt Eberhartinger fort. „Über diverse Gremien und beim ORF gibt es jetzt andere Mehrheiten und da kriegen wir das schon zu spüren“.
Das ORF-Fernsehen artikulierte gegenüber dem EAV-Agenten Hage Hein, dass Eberhartinger „wenn er mal wieder ‘was Lustiges macht“ gerne vorbeischauen dürfe „aber bitte ohne politischen Hintergrund“. „Natürlich spielt auch das ORF-Radio“ dieses Lied nicht, so Hein.
Dass die Auseinandersetzungen in den öffentlich-rechtlichen Medien durchaus tiefgreifendere Ausmaße anzunehmen beginnen, weiß auch der EAV-Sänger mit einem eigenen Erlebnis zu unterstreichen. In einem ORF-Landesstudio hätten ihm Redakteure, die durchaus hochwertige Sendungen machen, eigene Erfahrungen geschildert. Einmal sei „Haider mit seinen Buberln“ zu einer Sendung gekommen. Die „Buberln“ seien lediglich aufgefordert worden, das Sendestudio zu verlassen. „Als der Tross wieder raus marschiert ist, hat sich der Letzte umgedreht und zu dem Radioredakteur gesagt: ‘Und Du kommst auch noch in unsere Gasse’“, schildert Eberhartinger sichtlich betroffen. Das sei für ihn eine „ganz böse Denkweise“ und es werde „ganz offensichtlich, wes Geistes Kind diese Leute sind“.
Er finde auch, dass ein „sehr bunter Teil der Presse“ dem „Jörgerl“ unglaubliche Hilfe leiste, „indem sie ihn wichtig macht und ihn am Leben erhält“. Eberhartinger vertritt die These, dass es das Schlimmste für Haider sei, ihn mit seinen Äußerungen zu ignorieren. Wenn man ihm mediale Plattformen biete, präsentiere er sich als Mr. Harmlos. „So wie bei der Talkshow in Deutschland. Da war er der ‘Teflon-Jörgerl at it’s best’! Der hat doch alles an sich abtropfen lassen – mit einem Augenzwinkern nach Rechts: ,Wir reden nachher schon drüber, das muss ich halt jetzt so sagen’“.
Aber seine Schwachstelle sei eine gewisse Eitelkeit. Dazu gehöre auch die, Kanzler zu werden: „So groß er als Taktiker ist, aber das möchte er schaffen“. Weshalb Eberhartinger auch die Gefahr eines Bruchs der Koalition sieht: „Das ist sicher sein Ziel, um aus der Opposition heraus als der rettende Engel aufzusteigen“.
Die EU-Sanktionen hält der EAV-Sänger „als Reaktion für absolut richtig – politisch ist es aber Blödsinn, weil sie im Land genau das Gegenteil bewirken“. Diese Sanktionen hätten „das nationale Zusammenrücken unterstützt“, weil die Leute sagen „so kann man mit uns nicht umgehen.“ Und das habe zur Folge, „dass die Leute dem Haider Recht geben und Ausländerfeindlichkeit wieder lauter geäussert“ werde. Die Pauschalisierung und Beschimpfung von Touristen und Besuchern (z.B. in Frankreich) als Nazis und vermeintliche Proteste wie Aussperren aus Hotels oder das Abbrechen von Studienaustauschprogrammen spiele den Ball nur der Haider-Fraktion zu. Für ihn sei das „die gleiche lächerliche Diskriminierung, wie jene, die man dem Haider vorwirft“.
Eberhartinger sieht das Problem tiefgründiger angesiedelt. „Der Haiderismus soll exportiert werden“. Dazu gebe es auch schon Treffen in Kärnten, „mit dem Bestreben, daraus eine paneuropäische Bewegung zu machen“. Deshalb müsse man sich auf EU-Ebene ganz schnell darüber klar werden, dass es mit Sanktionen gegen Österreich alleine nicht getan sei: „Wenn so etwas europaweit geschieht, muss man sich einen Maßnahmenkatalog überlegen, wenn demokratische Werte verletzt werden.“
Die Ursache für die EU-Sanktionen durch bestimmte Länder sieht er in deren eigener Unsicherheit. „Ich glaube, dass Leute wie der Chirac irrsinnig schwitzen vor den rechtspopulistischen Bewegungen im eigenen Land.“ Aber gerade deswegen bedürfe es einer einheitlichen Linie der EU gegen Leute wie Le Pen, Schönhuber, Berlusconi & Co.
Nochmals auf „den Österreicher“ zurückkommend, reflektiert er die Historie: „Die Österreicher hatten immer schon ein Problem bei der Bewältigung der Vergangenheit. Wir waren zwar dabei, aber wir waren es nicht! Man hat uns irgendwie gezwungen!“ Kanzler Vranitzky sei der erste gewesen, der ein offenes Wort zu diesem Thema gesprochen habe. „Bis dahin haben sie alle ganz kleine Eier bekommen, wenn es um diese Vergangenheit ging.“
In Österreich gebe es „allgemein ein Wertesystem, das erzkonservativ ist – aber nicht rechtspopulistisch“. Diese Werte zielten „weniger auf dieses nationalistische Element“, so Eberhartingers Einschätzung der Landsleute. Die FPÖ schöpfe für ihn aus einem anderen politischen Topf als die Mehrheit der Bevölkerung. Abgeräumt habe die FPÖ insbesondere bei den Arbeitern und jungen Leuten. Auch Leute aus seiner Umgebung („ja spinnt ihr, was habt ihr gewählt“) hätten für Begriffe wie „Bewegung und Veränderung“ votiert. „Klarerweise, weil die Sozialdemokraten alle total verknöchert“ waren. Wenn, dann müsse man eigentlich der SPÖ den Hauptvor- wurf für die jetzige Entwicklung machen, weil diese vorher „eine Scheiss-Politik gemacht und sich nicht mehr bewegt“ habe.
Die „Schlüsselfigur Schüssel“ sei zwar letztendlich der ÖVP-Vorsitzende selbst gewesen, dessen „Profilierungsneurose“ die EAV im Song konterkarieren. Aber dass der seine Partei („unter 20 Prozent, mit beiden Beinen im Grab stehend und gerade dabei sich niederzulegen“) wieder aufrichten wollte, könne man ihm nicht vorwerfen. „Dass er das aber um diesen hohen Preis gemacht habe, sei das Risiko eines Gamblers“.
Musiker-Protest!?
Und was machen die österreichischen Musiker und Musikerinnen? Es sollte – ähnlich World-Aid – ein Song entstehen, bei dem alle gemeinsam singen, erzählt Eberhartinger. Das aber habe sich durch Profilierungsprobleme Einzelner verzögert. Gescheitert sei das Projekt dann aber an der Frage: „Ja wo spielt ihr das denn?“. Nur bei den Auftritten war offenkundig zu wenig. Und in das Radio kommen die österreichischen Künstler schon lange nicht mehr. Ö3 sei „der einzig englischsprachige Sender Österreichs“, so die EAV-Persiflage im Titel „ÖD3“.
Die EAV habe danach beschlossen, ihren Haider-Schüssel-Song auf die nächste CD zu packen. Was die anderen jetzt machen, wisse er nicht so genau. Der Fendrich habe ihn aber überrascht: „Das ist ein aufrechter Antifaschist, der mault auch“. Entsprechend solle es auch ein Projekt von „A3“ (Danzer-Fendrich-Ambros) geben.
Für sie selbst sei der inkriminierte Titel wichtig. Der Grundtenor der „Gruftgranaten“-CD sei jedoch der, dass österreichische Künstler schon lange nicht mehr in den österreichischen Medien vertreten seien. Als Karikatur habe man sich daher entschlossen, die Zeit um einige Jahre anzustoßen und die Damen und Herren Rockstars im Altersheim zu zeigen. Motto: Kraft durch Bosheit! Der bekannte Cartoonist Manfred Deix hat dazu ein mit viel Akribie gezeichnetes Bild entstehen lassen. Das „Austro-Pop-Sanatorium“ quasi als Endstation und „letztes Abendmahl“ – mit den Spritzen-schwingenden Pflegern Haider und Schüssel im Hintergrund.
„Die können noch über sich selbst lachen, sind noch nicht komplett fossil und verkalkt“, charakterisiert Eberhartinger seine Kollegen. Bis auf Stefanie Werger hätten alle die Freigabe für die textlich oft krass veränderten Songs gegeben. Aus „STS“ wurden „Steinhäger-Tequila-Sliwowitz“, Falcos „Amadeus“ wurde „(Man muss wiss’n) Wann ma geh’n muss“, denn in Österreich sei scheinbar nur ein toter Musiker ein guter Musiker. Wolfgang Ambros aka „Schwamm-Boss“ muss sich als Viagra-Kandidat mit Prostataproblemen und aufgequollen im Rollstuhl schieben lassen. „Auf sieben Krücken musst du gehen, sieben Ärzte musst du überstehn...“ – das Los des Peter Maffay. Und Konstantin Wecker wird zum Koks-suchenden „Nasenbär“ („Während die anderen sich alle niedergsuffa ham – legal – im Bierzelt, da war ich halt schon immer a wenig weida – praktisch eine Nasenlänge voraus...“).
Schlussendlich ist die „EAV“ (aka „EA-Flau / EA-Blau = eher flau/blau) auch sich selbst gegenüber nicht zimperlich. Zur Melodie des einstigen Millionenhits „Banküberfall“ heisst es jetzt „Der Spitzer der ist fertig, der Eber auch / die Zukunft ham sie hinter sich / und vorne einen Bauch / Der letzte Scheck ist weg / sie sind nicht mehr liquid / Seit 20 Jahr’n ham sie keinen Hit / Ba...ba...ba...ndscheibenvorfall...“. Selbstironie, wie man sie eigentlich auch Haider und Schüssel abverlangen müsste.