Eine Musikmesse, das sind Hallen voller Instrumente, Notenausgaben und technischem Equipment. Händler in Boxen machen Geschäfte, und Musiker probieren die neuesten Modelle ihres jeweiligen Instrumentes und produzieren dabei eine Soundkulisse, die einem Orchesterwerk von Dror Feiler oder einer gut verstärkten Big Band jederzeit Konkurrenz machen könnte – was die Lautstärke betrifft. Ordermesse nennt sich das Ganze – und genau dieser Prototyp einer Messe ist das, was die innovative Bremer Jazzmesse jazzahead nicht ist. Sie ist im Gegenteil Festival und Leistungsschau deutscher und internationaler Jazzkünstler, sie ist Symposium, und auf ihr wird Kulturpolitik gemacht.
So wurde auf der diesjährigen jazz-ahead aus der Bundeskonferenz Jazz heraus der Verein „Spielstätten- und Programmpreis“ gegründet mit dem Ziel, eine Plattform zur praktischen Umsetzung der Förderung von Spielstätten im Bereich Jazz zu bilden. Dass sich unter den 4.865 Besuchern etwa 1.000 Fachbesucher tummelten, zeigt dass die jazzahead in ihrem dritten Jahr von der Jazzwelt angenommen ist.
Starkonzerte mit Maceo Parker, Trilok Gurtu, Nik Bärtsch, Marilyn Mazur und Wallace Roney lockten die bremischen Jazzfans erfolgreich an den ungewohnten Festivalort auf dem Messegelände. Die Abendkonzerte wurden aber auch von weniger kommerziell erfolgversprechenden Bands wie dem Berliner Thärichen Tentett und der Jazz Big Band Graz bestritten. Die Courage der Veranstalter wurde belohnt, der Saal war dennoch voll. Auch die insgesamt neun Late-Night-Konzerte im Schlachthof waren gut besucht und endeten selten vor 2 Uhr in der Frühe. Da die Konzerte des German Jazz Meeting bereits um 11 Uhr wieder begannen, musste man nur neun Stunden ohne Musik aushalten. Das German Jazz Meeting, das dieses Jahr nach 2006 seine zweite Auflage erlebte, ist das Herzstück der jazzahead Während auf der Messe 2007 bei der JazzXchange genannten Veranstaltung ausländische junge Musiker den deutschen Konzertveranstaltern präsentiert wurden, lud die Messe dieses Jahr 65 Festivaldirektoren und Goethe-Institutsleiter ein, um junge deutsche Musiker ins Ausland zu „exportieren“.
Knapp 20 Bands, darunter Florian Ross 8Ball, das Carsten Daerr Trio, Matthias Schriefl Shreefpunk, Cyminology, das Anke Helfrich Trio oder Hyperactive Kid skizzierten in kurzen, zwanzigminütigen Statements ein detailliertes Bild des modernen Jazz deutscher Herkunft. Die Show-Case-Säle waren dieses Jahr zu klein, um dem Andrang Herr zu werden. Um die Tatsache, dass sie in nur zwanzig Minuten ihr Können demonstrieren mussten, waren die Musiker nicht zu beneiden. Sie nahmen es ohne Murren in Kauf – die Aussicht auf lukrative Gigs überstrahlte dieses Handicap.
Ein Festival ohne Entdeckungen ist keines. Die Entdeckung des Jahres war das in letzter Minute vor dem Konzert von Trilok Gurtu eingeschobene Minikonzert des Quintet Jean-Paul. Bandleader ist der Saxophonist Gabriel Coburger, der im Frühjahr dieses Jahres mit dem Hamburger Jazzpreis der Dr. E.A. Langner-Stiftung ausgezeichnet wurde. Die Besetzung seiner Band sieht zunächst unspektakulär aus: Vokalist ist Ken Norris, am Klavier Matthäus Winnitzki, Bass spielt Sven Kerschek und Schlagzeug Derek Scherzer. Aber was dieses junge Quintett an Klang, Energie und an Schönheit freisetzt, das ist schon spektakulär. Das Interplay zwischen Tenorhorn und der dunklen Stimme von Norris – Coburger setzt Norris wie einen Instrumentalisten ein – ist unkonventionell: ein Sänger, der im Ensembleklang aufgeht und dessen Sound erweitert.
Matinee-Konzerte sind bei Jazzern eher unbeliebt. Der Morgen ist einfach keine Zeit für Jazz. Doch was das Bundesjugendjazzorchester unter der Leitung von Ed Partyka am Sonntagmorgen bot, war frisch, hoch konzentriert dargeboten und mitreißend. Partyka hatte mit seinen jungen Musikern ein Programm zum 20-jährigen Bestehen des Orchesters einstudiert, das Jazzströmungen zwischen 1962 bis in die Gegenwart widerspiegelte: darunter etwa „Evil Man“ von Thad Jones, „American Express“ von Bob Brookmeyer, „Last Season“ von Maria Schneider, „Silent Seekers“ von Efrat Alony und „Overcast“ von Ed Partyka selbst. Der Bandleader der 41. Arbeitsphase hatte ein schlüssiges Programmkonzept geformt, das die Entwicklungslinien der klassischen Big-Band-Besetzung bis in die aktuelle Gegenwart hinein verfolgt.
Bitte beachten Sie auch die Berichterstattung zur jazzahead 2008 in der nächsten jazzzeitung, die im Juni erscheint. Hier wird insbesondere auf die Themen Spielstättenförderung und Jazzstipendien eingegangen.