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Unser Bild rechts zeigt die Pianistin und Komponistin Eve Risser. Foto: Ssirus W. Pakzad
Unser Bild rechts zeigt die Pianistin und Komponistin Eve Risser. Foto: Ssirus W. Pakzad
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Gelebte Demokratie

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Das 38. Internationale Jazzfestival Saalfelden
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Welchen Stellenwert das Internationale Jazzfestival Saalfelden genießt, zeigte sich wenige Minuten vor dem Eröffnungskonzert im Congress der Pinzgauer Gemeinde: Das Publikum war ganz schön verdutzt, als neben den Ausrichtern der Veranstaltung, neben Bürgermeister Erich Rohrmoser, der Salzburger Grünen Partei-Chefin Astrid Rössler und dem Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer sogar der österreichische Bundeskanzler Christian Kern auf die Bühne kam. Diese Volksdiener versicherten glaubhaft, dass die Politik vom Jazz noch etwas lernen könne: optimierte Demokratie, Offenheit, Spontaneität und den selbstverständlichen, unverkrampften Austausch zwischen verschiedenen Lagern.

Abgang Politik, Aufzug Musik. Jedes Jahr vergibt das Jazzfestival Saalfelden einen Kompositionsauftrag an einen Österreicher. Diesmal wurde der Saxofonist Gerald Preinfalk damit betraut, Musik für den Auftakt zu schreiben. Es war dann wie so oft bei solchen Anlässen – bei der Premiere wurde klar, dass allzu große Ambition die Kunst ersticken kann. Nichts von dem, was der volle Saal zu hören bekam, war wirklich homogen. Die Einzelteile des Werks wirkten etwas hilflos zusammengestöpselt.

Einen musikalischen Schwerpunkt hatten die Intendanten Michaela Mayer und Mario Steidl für die 38. Ausgabe des Saalfeldener Festivals eigentlich nicht im Sinn, er ergab sich eher nebenher: Es gab auffällig viele Auftritte mit starkem Wortanteil im Programm. Das beste Beispiel: ein hoch einfühlsamer, vom Schauspieler Hartmut Stanke mitreißend vorgetragener Text des Journalisten Harry Lachner machte den Zuhörern die bedauernswerte Zerrissenheit klar, mit der das Jazz-Genie Charles Mingus zu kämpfen hatte – die Musik von Michael Riessler unterstrich die Wesenszüge, die Polarität des 1979 verstorbenen Musikers.

Auch hier standen Texte im Zentrum: Sängerin (und Kantele-Spielerin) Sinikka Langeland entführte uns mit folkloristisch gefärbtem Jazz in die verwunschenen Wälder des Hohen Nordens und bei der Band „Weiße Wände“ konnte man sich von der Gewitztheit und der improvisierten Sprachkunst Christian Reiners mitreißen lassen. Nicht besonders spannend war leider, was sich zwei Rapper auf Wolof und Englisch im Projekt „Sélébéyone“ des Saxofonisten Steve Lehman zusammenreimten. Es verlor sich über der druckvollen Musik – eher ex und hopp als hip und hop. Wie immer in Saalfelden vertrauten die Programmgestalter auf musikalische Kontraste: Sie boten ihrem Publikum die soghafte Minimalistik von „The Necks“ aus Australien, Ornettiges von Saxofonist Wolfgang Puschnig (mit Streichquartett), reizvoll-vielschichtig Poppiges von „5K HD“, verblüffende, wuchtige, aber auf Dauer etwas ermüdende Millimeter-Papier-Nummern der „Sax Ruins“ aus Japan, Phon-Orgien von „Møster“ aus Norwegen, Hymnisches von „Angles 9“,  sowie umwerfend intensive Auftritte von „Amok Amor“ und „Cortex“, zwei Bands, die die Freiheit in der Form perfekt zu dosieren wussten.

Zwei Programmpunkte gehören hervorgehoben: wie die französische Komponistin und Pianistin Eve Risser in ihrem „White Desert Orchestra“ mit Texturen, Abläufen, Dramaturgie umging, versetzte manch einen in rauschhafte Zustände. Publikums- und Kritikerliebling in Saalfelden war vielleicht der amerikanische Pianist Brian Marsella, der aus John Zorns „Book of Angels“ zitierte und dabei nahöstlich swingend mit seinem Trio so differenziert hinlangte, dass jedes Stück Ovationen auslöste.

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