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Ein Jahr Training (neben der Schule) führt zur Perfektion: Die „Stomper-Crew“ des Musical-Projektes „AugenBlicke“ riss das Publikum buchstäblich von den Stühlen. Foto: Arno Boas
Ein Jahr Training (neben der Schule) führt zur Perfektion: Die „Stomper-Crew“ des Musical-Projektes „AugenBlicke“ riss das Publikum buchstäblich von den Stühlen. Foto: Arno Boas
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Große Kleinstadt: Stomper, Bürger, Breakdance

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Musical-Projekt: Eine gelungene Kooperation zwischen Eltern, Schülern und Schule in Weikersheim
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Schwere Gedanken machen sich unsere Bildungspolitiker leider erst seit PISA, wie sie denn das Schulsystem gründlich reformieren könnten. Mit Kompetenz von außen sollen die an Bürokraten-Reißbrettern entstandenen Lehrpläne durchlüftet werden. Kompetente Bürger sind gefragt, Ingenieure, Kaufleute, Redakteure, die ihr berufspraktisches Wissen an Kinder und Jugendliche weitervermitteln. Aber woher nehmen und nicht stehlen? Zusätzliche Etats dürften in ausreichendem Maße kaum zur Verfügung stehen. Und besitzen diese externen Pädagogen – so man sie auftreibt – dann auch die notwendigen Vermittler-Tugenden? Da heißt es erst mal, wieder drei Evaluations-Kommitees ins Leben rufen – und für viel Geld gutachtern lassen. Die Zeit verrinnt.

Was für ein Reichtum, wenn in einer Stadt das Gemeinwesen so offensichtlich stimmt wie in Weikersheim. Da kann es dann vorkommen, dass Bürger, Schülereltern selbst die Initiative ergreifen und sich konstruktiv in den Gymnasiumsalltag einbringen. Voraussetzung dafür ist sicherlich, dass ein nicht nur wirtschaftlich akzeptables, sondern auch ein kulturell gesundes Klima die Großwetterlage der Kommune lange Zeit bestimmt. Seit über fünfzig Jahren wirkt vor Ort in Weikersheim die Jeunesses musicales. Nicht von allen allzeit gut gelitten, vor allem in den Anfangs-Jahrzehnten. Aber kontinuierlich, nachdrücklich und selbstbewusst eine vielgestaltige Musikalität pflegend hat dieser Verband nicht nur das Weichbild der Stadt entscheidend geprägt. Wenn man kein eingefleischter Großstädter ist, mag man gern in Weikersheim leben. Die Atemluft wirkt weicher als in vergleichbaren umliegenden Gemeinden.

Solche Luftkurorts-Gefühle mögen auch den ehemaligen Jeunesses-Generalsekretär Claus Harten bewogen haben, sein Domizil im Taubertal beizubehalten, obwohl ihn sein Beruf als Personal- und Unternehmensberater eher in die Metropolen lenkt. Zusammen mit seiner Frau Ulrike Goldbeck, Pianistin und Dozentin an der Würzburger Musikhochschule, versammelte er – mittlerweile eher branchenfremd – eine stattliche Zahl an Weikersheimerinnen und Weikersheimern in der Absicht, ein selbst- gestaltetes und sich selbst tragendes Musical gemeinsam mit dem örtlichen Gymnasium auf die Beine zu stellen. Das war vor drei Jahren – den modischen PISA-Schock gab’s noch nicht. Zusammen mit drei aufgeschlossenen Gymnasiallehrern, Inga Schulzki-Seiter (sie fasste später die tausend aufgeblühten Ideen zu einem schlüssigen Libretto zusammen), dem „Projekt-Regisseur“ Andreas Neidhart und dem „Generalmusikdirektor“ Bert Ruf wurde ein Kernteam gebildet, um das sich bald über hundert aktive Mitstreiter scharten: Eltern, Schüler, Lehrkräfte – Weikersheimer. Ein komplettes, bürgerschaftlich getragenes Musical-Unternehmen entstand (mit kompletter Fundraising- und Marketingabteilung, Design-Center, Text-und Komponierwerkstatt, Instrumental-, Gesangs-, Dance- und Stunt-Trainern, Bühnenbildnerei, Kostümschneiderei, Internet-Auftritt samt Merchandising-Abteilung) – und bestand die lange Zeit bis zur Premiere.

Ausgesprochen bescheiden war man nicht bei der Wahl des Sujets: „AugenBlicke“ – so auch der Titel des Musicals – können ein Leben verändern. Selbst in der „Provinz“ mit ebenso bewährten wie eingefahrenen Strukturen und Verhaltensweisen (der Name Weikersheim fällt natürlich nie...). Eine Gruppe Berliner „Stomperinnen“ (Menschen, die mit Gebrauchsgegenständen kunstvolle Percussion produzieren) sind zu einem Kleinstadtfest eingeladen, treffen in einem Jugendzentrum auf rivalisierende einheimische Gruppen (Rapper, brave Bürgerkinder, Breakdancer) und geraten natürlich auch mit deren Eltern in verstörende und klärende Konflikte.

Was hier ein wenig nach aktualisierter „West Side Story“ klingt, gelang den AugenBlicke-Machern hautnah, glaubwürdig, eigenständig und in schier unglaublicher Qualität. Mehr als ein Jahr trainierten die Schülerinnen der „Stomper-Crew“ für ihre – im Ergebnis hochprofessionellen – Auftritte.

Die Breakdancer schienen gerade aus der Bronx eingeflogen – die Rapper aus Brooklyn. Wer die Aufführung mit der mild reduzierten Erwartung anging, die man „Schülertheater“ gewöhnlich herzig entgegenbringt, wurde auf’s Angenehmste enttäuscht. Kernige Gesangsleistungen und eine auf den Punkt getunte Band ließen in Weikersheims Stadt-(Turn)-Halle Carnegie-Feeling aufkommen statt deutschem Stadt-Theater-Muff – ein echtes Kunststück. Wie leider oft bei wirklich gelungenen Veranstaltungen – gemessen am Aufwand für rare acht Aufführungen – nur sehr kurze „AugenBlicke“ des Erfolges? Drei Jahre gemeinsames Phantasieren, Entwickeln, in harter Arbeit umsetzen – das hinterlässt gute Spuren nicht nur bei den handelnden Personen. Im Publikum entstand – und das wurde nicht nur bei den Schluss-Ovationen deutlich – ein spürbar stolzer „Spirit of Weikersheim“. Sowas bei uns. Sowas von uns. Das „Kultur-Bad Weikersheim“ ist umliegenden Luftkurorten ein weiteres Stück enteilt.

http://www.augenblicke-dasmusical.de

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