Monique Brandily: Kora Kosi – Die Musik Afrikas (170 S., 22 s/w-Fotos, gebunden, 22,50 Euro, Heidelberg: Palmyra Verlag)
Monique Brandily: Kora Kosi – Die Musik Afrikas (170 S., 22 s/w-Fotos, gebunden, 22,50 Euro, Heidelberg: Palmyra Verlag)Kaum ein Erdteil ist kulturell und also auch musikalisch dermaßen vielfältig wie Afrika. Eine Ausnahme bilden die stark arabisch und andalusisch geprägten Maghreb-Länder im Norden. Wie allerdings sortiert man die ebenfalls arabisch beeinflusste Swahili-Kultur im Osten? Je mehr man ins Detail geht, um so unübersichtlicher scheint es zu werden. Abgrenzungen sind mitunter auch regional schwierig, die „modernen“ Staatengrenzen stammen zumeist von den Kolonialmächten und haben häufig nichts mit den Lebensräumen der dortigen Völker zu tun. Die Völker indes sind in früheren Jahrhunderten gewandert, wodurch sich regionale Charakteristika verlagert und vermischt haben. Eins ist in jedem Fall gewiss: das Vorurteil, Afrika sei der Kontinent der Trommeln, trifft nur bruchstückweise zu.1997 erschien mit „Introduction aux musiques africaines“ eine Art Standardwerk, das in verschiedenen Schritten an der Spitze des Eisbergs zu kratzen versucht; im vergangenen Jahr ist es nun in aktualisierter Fassung auf deutsch erschienen: Der eigentliche Text beschränkt sich auf rund 100 Seiten. Trotz der themenbedingten enormen Menge an Details sind die sechs Kapitel der Pariser Musikethnologin erfrischend angenehm zu lesen; die Übersetzung ist bis auf wenige Punkte gut gelungen (so ist die Verfasserin zum Beispiel der Ansicht, dass „Korpus“ immer noch sächlich ist).
Nach einem interessanten Einstieg mit „Afrikanische Musik: was ist das?“ nähert sich die Autorin dem Thema in vier weiteren Kapiteln von verschiedenen Seiten: „Der gesellschaftliche Status des Musikers“, „Die Musikinstrumente“, „Die musikalischen Regionen“ sowie „Musik und Kommunikation“, wobei es ihr gelingt, auf Pauschalisierungen zu verzichten. Auf den ersten Blick mag so manche Facette verwirrend wirken – eine Landkarte wäre durchaus hilfreich gewesen.
Doch der aufmerksame Leser erhält außer handfesten Informationen einen guten Einblick in musikethnologische und verwandte Aspekte, die nicht nur zum Verständnis afrikanischer Musiken von großem Wert sind. Dafür wichtig ist auch das letzte Kapitel „Was bringt die Zukunft?“, das den Unkenrufen, die traditionelle Musik sei von was auch immer bedroht, mit der Feststellung „Die afrikanische Musik lebt“ entgegentritt und sich auch mit afrikanischer Musik etwa in Europa befasst.
Für Letzteres ist Paris geradezu ein Mekka. Bei alledem hebt die Afrika-Spezialistin nie den wissenschaftlichen Zeigefinger, aber sie verfällt auch nie in das Floskelhafte des Worldbeat-Zeitgeistes.
Wer diese Einführung zu knapp oder zu verwirrend findet, halte sich an den umfangreichen Anhang. Dort finden sich neben einem Register, einer Biblio- und Diskografie auch noch ein wertvolles Glossar und unter vielem anderen eine Sammlung wichtiger (überwiegend deutscher) Adressen.
Doch der eigentliche Hit ist die beigegebene, klanglich hervorragende 72-Minuten-CD, deren 25 Titel in einem eigenen Abschnitt knapp, aber informativ erläutert werden (und wiederum erfrischend vielfältig sind). Eine Anzahl anderswo bisher nicht veröffentlichter Aufnahmen aus Brandilys eigener Feldforschung machen damit die Anschaffung auch für gut bestückte Sammler interessant. Zum Schluss gibt es auf der CD auch noch zwei Pop-Nummern, aber natürlich afro!
Bei dem günstigen Anschaffungspreis müsste der Band, dessen deutscher Haupttitel leider nirgends erklärt wird, eigentlich ein kleiner Bestseller – nicht nur innerhalb der Weltmusik-Szene – werden.