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Kommt mit dem Golden Striker Trio: Ron Carter. Foto: G. Kleinschmidt Promotions
Kommt mit dem Golden Striker Trio: Ron Carter. Foto: G. Kleinschmidt Promotions
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Illustre Namen, große Erwartungen

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Das Landesjazzfestival Bayern wird 2016 zum ersten Mal in Regensburg stattfinden
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Ron Carter und John Scofield: Zwei illustre Namen sind ein bisschen größer gedruckt auf dem Flyer, der für das Landesjazzfestival Bayern wirbt. Aber eben nur ein bisschen. Gut sichtbar sind auch Namen wie Dusko Goykovich, Johannes Enders oder Geff Eisenhauer, von Musikern also, die aus Bayern stammen oder hier ihren Lebensmittelpunkt haben. „Wir präsentieren bayerische Musiker auf Augenhöhe mit den Stars, nicht als Vorbands“, so bringt Neli Schmidkunz die Idee des neu konzipierten, erstmals vom 21. bis 23. Oktober in Regensburg stattfindenden Festivals im Gespräch auf den Punkt. Als Mitglied im Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Jazz in Bayern und im Beirat des Jazzclubs Regensburg kann er in Personalunion für beide Veranstalter sprechen.

Zur Erinnerung: Die LAG Jazz in Bayern war einst ins Leben gerufen worden, um die Trägerschaft des 1992 gegründeten, vom Freistaat geförderten Bayerischen Jazzinstituts zu übernehmen. Nach dem Tod von Initiator Richard Wiedamann (2011) entbrannte ein heftiger Streit über dieses Konstrukt und die Arbeit des Jazzinstituts, das schließlich – eine ebenfalls umstrittene Entwicklung – in die Trägerschaft des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen wechselte.

Als Breitseite gegen das vom Jazzins-titut künstlerisch verantwortete Jazz-weekend will Schmidkunz das vom Kulturfonds Bayern, der Stadt Regensburg, der Sparkasse und vom Bezirk Oberpfalz geförderte Landesjazzfestival aber ausdrücklich nicht verstehen. Dass es bei seiner ersten Ausgabe in Regensburg starte, sei einfach dem Umstand geschuldet, dass man sich mit dem Regensburger Jazzclub schnell auf die gemeinsame Ausrichtung habe einigen können. In Zukunft soll das jährlich ausgetragene Festival seinen Standort immer wieder wechseln und möglichst auch in Städten aufschlagen, in denen der Jazz ansonsten nicht so im Fokus steht.

Vorbild ist nicht nur in diesem Fall Baden-Württemberg, wo das Land den Jazzverband und die professionelle Szene im vergangenen Jahr mit über 600.000 Euro unterstützt hat. Das Konzept der LAG Jazz in Bayern, das derzeit in Abstimmung mit dem Kultusministerium erarbeitet wird und in den Doppelhaushalt 2017/18 eingehen soll, sieht ähnlich wie in Baden-Württemberg vor, die Jazzspielstätten mit Zuschüssen für Auftritte bayerischer Musiker zu fördern. Ein weiteres Modell könnte sein, deren Konzerte in anderen Bundesländern und im Ausland zu unterstützen.

Die Nachwuchsförderung sieht Neli Schmidkunz in Bayern gut aufgestellt, zum Beispiel mit dem Landesjugendjazzorchester; die LAG habe dagegen in erster Linie die Aufgabe, auf der professionellen Ebene zu agieren. Eine Maßnahme an der Schnittstelle dieser beiden Ansätze ist der seit 2014 vergebene LAG-Jazzpreis, dessen Siegerband eine Tour mit etwa zehn Konzerten in bayerischen Jazzclubs finanziert bekommt, Fahrt- und Übernachtungskosten inklusive. „Dieses Konzept kommt sehr gut an“, freut sich Schmidkunz. „Viele sagen uns, das sei eigentlich der attraktivste Nachwuchspreis in Deutschland, weil er genau das bietet, was junge Bands brauchen: gute Gigs.“

Einen solchen hat nun das Leo Betzl Trio, die diesjährige Siegerband, beim Landesjazzfestival in Regensburg ergattert. Es bestreitet den Auftakt am Freitag, den 21. Oktober, und macht dann die Bühne frei für das – wiederum nach baden-württembergischem Vorbild – neu formierte Landes-Jazzensemble. Neben Gitarrist Schmidkunz, der unter seinem Künstlernamen Paulo Morello auftritt, und dem LAG-Vorsitzenden Tizian Jost am Klavier, gehören Trompeter Claus Reichstaller und Lutz Häfner an Trompete und Saxophon sowie Henning Sieverts und Bastian Jütte an Bass und Schlagzeug zu diesem hochkarätigen Sextett, das Kompositionen der Bandmitglieder in den Mittelpunkt stellen wird.

Nach dem mit Helmut Nieberle und den Philharmonikern von Bolero Berlin exquisit besetzten Familienkonzert „Jazzkäppi“ am frühen Samstag Nachmittag steigt dann abends das erste große Doppelkonzert: Drummer Gerwin Eisenhauer gibt in Lisa Wahlandts Band den Takt vor, bevor Altmeister Ron Carter vom Bass aus sein schlagzeugloses „Golden Striker Trio“ antreibt, mit Donald Vega am Piano und jenem Russell Malone an der Gitarre, der Diana Kralls Aufstieg zum Superstar Ende der 1990er-Jahre begleitet hat.

Nächtliche Kontrastprogramme stehen anschließend zur Wahl: Man kann entweder erleben, wie sich eine Kirche unter Zuhilfename von Orgel und Hall in „Enders Dome“ verwandelt, oder sich im Jazzclub mit Hansi Enzenspergers Trio „Organ Explosion“ dem Hammond-Groove hingeben. Den Schlusspunkt am Sonntag Abend setzt, nach dem Quartett um Trompeter Dusko Goykovich und Saxophonist Scott Hamilton, kein Geringerer als John Scofield. Der legendäre Gitarrist hat mit Bassist Steve Swallow, Larry Goldings an den Tasten und Schlagzeuger Bill Stewart ein All-Star-Quartett zusammengestellt, das sein Programm ebenso selbstbewusst wie selbstironisch „Country For Old Men“ nennt.

Keine Frage, Konzept und Line-Up des ersten bayerischen Landesjazzfestivals lassen aufhorchen. Als weithin sicht- und hörbares Signal für eine künftig konsequentere öffentliche Förderung professioneller Strukturen im bayerischen Jazz – hierzu würde natürlich auch eine hauptamtlich besetzte LAG-Geschäftsstelle gehören – kommt es zur rechten Zeit. Hoffentlich findet dieser ehrenamtliche Arbeitsnachweis auch Anklang bei der Politik, mit der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten hat es zumindest schon mal geklappt.

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