Wie wird „Jazz in Deutschland“ zu „Jazz aus Deutschland“? Die hiesige Szene besteht nach wie vor aus zu vielen lokalen und oft auch prekären Mikro-Biotopen, während gleichzeitig die 18 Musikhochschulen im Lande für kontinuierlichen Jazz-Nachwuchs sorgen. Die jazzahead in Bremen arbeitet sich seit 17 Jahren daran ab, aus einer Nischenkultur eine Branche mit Gewicht und Geld zu machen. Da war es längst überfällig, dass die jazzahead auch mal das eigene Gastgeberland als Partner „einlud“ – allein der Ausstrahlung nach außen wegen.
Uli Beckerhoff und Peter Schulze legten vor 17 Jahren in Bremen den Grundstein dafür, Jazz auch kreativwirtschaftlich zu denken. Götz Bühler will künftig mit viel Motivation und verlässlich unterstützt durch Sibylle Kornitzky die weltgrößte Messe für Jazzkultur und -wirtschaft in die Zukunft führen. Drei Tage trafen sich in Bremen Musikerinnen und Musiker, Kulturschaffende, Kulturverwaltende und -fördernde, Medienleute und ebenso viele Jazzfans.
Erleichterung liegt in der Luft, dass die Pandemie den Jazz nicht zur Strecke gebracht hat. Der Messebetrieb, die offiziellen Veranstaltungen, Diskussionspanels und Showcase-Konzerte waren auch im zweiten Jahr nach der Pandemie wieder prall gefüllt. Das Kerngeschäft der jazzahead sind die persönlichen, oft spontanen Begegnungen „face to face“. Dabei herrschte entspannte Routine, ein Eindruck, den auch Uli Beckerhoff im Gespräch bestätigte: „Viele Aussteller sind Wiederholungstäter. Die haben sich hier jede Hektik abgewöhnt.“ Aber geht es wirklich dem Jazz, der sich meist in einer freien Kulturszene jenseits öffentlich alimentierter Leuchttürme bewegt, so gut, wie es das fröhliche Miteinander in Bremen suggerierte? Wo tatsächlich der Schuh drückt, erschloss sich eher zwischen den Zeilen. Am Stand der Deutschen Jazzunion konnte man einige belastbare Fakten über Lebens- und Arbeitsbedingungen nachlesen – in der Zweitauflage einer Studie, die schon im Jahr 2016 ernüchternde Ergebnisse hervorgebracht hatte.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth besuchte die jazzahead und beschrieb in einem flammenden Appell zu Recht die Kunst (und gerade auch den Jazz!) als „Stimme der Demokratie“. Vollmundig versprach sie eine Milliarde Euro für die Kultur. Ein „Kulturpass“ für sozial schwächere junge Menschen klingt ebenfalls wundervoll. Damit öffentliches Geld sinnvoll fließt, muss aber noch tiefer analysiert werden. Einem kleinen Veranstalter, der aus Angst vor Publikumsschwund Gratis-Konzerte „auf den Hut“ durchführt, ist damit noch nicht geholfen. Zum Beispiel. Es braucht Spielstättenförderungen, die nicht nur per Gießkanne erfolgen, sondern flächendeckend sind. Überhaupt gehört das Wort „flächendeckend“ genauso ins programmatische Vokabular wie der omnipräsente Nachhaltigkeitsbegriff. Ein Lichtblick: Damit es mehr „Jazz aus Deutschland“ gibt, dafür wird aktuell an einer Exportförderung für die Finanzierung von Auslandstourneen gearbeitet – die Initiative Musik ist an diesem Thema dran. Viele Nachbarländer machen es ja schon lange vor und gaben an den Messeständen auf der jazzahead bereitwillig Auskunft darüber.
Die jazzahead ist nicht nur Branchenmesse, sondern als dreitägiges Publikumsevent im großen Festivalzirkus angekommen. Das freute die zahllosen hochmotivierten Bands, die in diesem Jahr wieder vor vollen Rängen spielten und damit auch die Neugierde des Fachpublikums wecken. Im Idealfall ergeben sich Auslandsgigs. Zum Beispiel für den hochenergetischen Noise-Jazz der Essener Band Malstrom. Bald tourt das Trio in Japan und auch in China. Wo werden die Details für so etwas klargemacht? Auf der jazzahead.