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Jazz erkunden und genießen im Dreiländereck

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Das Enjoy Jazz Festival spannt einen weiten thematischen Bogen
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Die Metropolregion Rhein-Neckar im Dreiländereck Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen möchte zusammenwachsen, als ein Ganzes gesehen werden: Wirtschaftlich, strukturell und kulturell. Unter diesem Gesichtspunkt besehen ist Enjoy Jazz – Festival für Jazz und Anderes ein Vorzeigeprojekt, findet es doch in den Städten Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen statt. Lesen Sie im Folgenden den Streifzug unseres Autors Philipp Krechlak durch Spielorte.

Das Preisträgerkonzert des Neuen Deutschen Jazzpreises in der Klapsmühl, einem „typischen“ Jazzclub in Mannheim, wird vom Quartett der Sängerin und Komponistin Filippa Gojo gestaltet. Die Bodensee-Österreicherin gewann in den Kategorien Band und Solist/-in. Das Quartett zeigt seine stilistische Bandbreite: Bearbeitungen brasilianischen Liedguts wechseln sich mit Eigenkompositionen, Songs werden englisch vorgetragen und einen Moment später in breitestem Vorarlbergerisch gesungen. Vordergründig sicherlich schwierig, darin eine Stringenz zu finden. Standards werden selbstbewusst auseinandergenommen und erfrischend neu zusammengesetzt, Volksliedhaftes begegnet Bossa-Elementen auf Augenhöhe, hinkende Walzer-Einsprengsel bilden ein augenzwinkerndes Pendant zu hektischem, roboterhaftem Gesang, Improvisationen entwickeln sich schubweise aus einem anfänglichen Hauch von Nichts zu fortissimo-Stürmen, fallen wieder in sich zusammen und beginnen von neuem. Gojos musikalische Partner sind präsent, Klavier, Bass und Drums pushen unterstützend, was das Zeug hält, um im nächsten Augenblick Platz zu machen für ein irres Scat-Solo, das dank Megafon-Verzerrung fast an einen wilden Jimmy Hendrix erinnern lässt, aber dann doch wieder zu viel Eigenes an sich hat, um so ein- beziehungsweise untergeordnet zu werden.

Eine ganz andere musikalische Erfahrung ist das dreimalig aufgeführte Konzert des KlangForum Heidelberg. Die Räumlichkeiten des Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen sind wichtiger Bestandteil des Klangerlebnisses bei diesem Wandelkonzert, das von den auf Alte und Neue Musik spezialisierten Instrumentalisten der SCHOLA HEIDELBERG und dem Kammerchor ensemble aisthesis gestaltet wird. Geistliche rezitieren zu Beginn nacheinander aus Koran, Thora und Bibel. Unterschiede werden sichtbar, aber vor allem Ähnlichkeiten. Und diesem Verbindenden wird im weiteren Verlauf des Konzertes nachgespürt, gemeinsam mit Vokal- und Instrumentalgästen aus dem Nahen Osten. Dank diesen und Auftragskompositionen gelingt das Konzert zu einem stimmigen Ganzen und droht zu keiner Zeit in seichte Weltmusikbereiche abzudriften. Immer ist gegenseitige Wertschätzung und musikalisches Interesse am Material des „Fremden“ zu spüren. Offene Ohren bei Musikern und einem bunt gemischten Publikum werden belohnt.

Snarky Puppy erzeugen mit ihren Alben und vor allem mit ihren Mitschnitten von Livesessions bei YouTube eine enorme Erwartungshaltung, die das Bandkollektiv in der ausverkauften Mannheimer Feuerwache mit Leichtigkeit übertrifft. Obwohl die Band keine feste Besetzung und Größe hat und in unterschiedlichen Formationen auftritt, sitzt alles perfekt, rastet alles ein; und live wirkt der Stil, der sich irgendwo zwischen gut gelauntem Funk und energiegeladenem Fusion bewegt, psychedelisch angereichert, mit kraftvollen Beats, aber dennoch komplex und anspruchsvoll ist, energetisierend und vereinnahmend. Einen der Musiker herauszuheben ist unmöglich: Jeder Einzelne beweist in den ausladenden Improvisationsteilen seine Klasse. Man gewinnt den Eindruck, der perfekten Jam-Session beizuwohnen.

Das BASF-Feierabendhaus in Ludwigshafen ist bestens geeignet für Kammermusik und besitzt trotz gewisser Größe den dazugehörigen Charme und intime Atmosphäre. Die Basslegende Gary Peacock konzertiert mit dem knapp halb so alten Pianisten Michael Wollny. Ein Verdienst des Festivalmachers Rainer Kern, der zeigt, dass es auch bei einem solch großen Festival auf die liebevollen Kleinigkeiten ankommen darf. Wollny und Peacock grooven sich schnell aufeinander ein und liefern ein sehr harmonisierendes Duo ab. Der Fokus liegt an diesem Abend auf lyrischen Songs und Balladen, im Klavierspiel sind Einflüsse von Chopin und Keith Jarrett zu vernehmen.

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