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Kapriolen und blühende Fantasie

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Zum 33. Deutschen Jazzfestival Frankfurt
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„Herrschaften! Bitte! Das geht doch alles von Ihrer Zeit ab...“ Der Rotschopf, der wie ein etwas außer Kontrolle geratenes Batterie-Männchen vor sich hinzuckt, versucht mit einer Wegwerfbewegung den aufbrausenden Applaus zu unterdrücken. Dann setzt er noch mal neu an. Das macht Mister Duracell alle paar Sekunden.

Herrschaften! Bitte! Das geht doch alles von Ihrer Zeit ab...“ Der Rotschopf, der wie ein etwas außer Kontrolle geratenes Batterie-Männchen vor sich hinzuckt, versucht mit einer Wegwerfbewegung den aufbrausenden Applaus zu unterdrücken. Dann setzt er noch mal neu an. Das macht Mister Duracell alle paar Sekunden. Beim 33. Deutschen Jazzfestival Frankfurt übernahm Halbsatz-Champion und Comedian Piet Klocke vor jedem Hauptkonzert mit dem weniger wort- dafür aber äußerst tenorgewandten Fräulein Kleinknecht alias Simone Sonnenschein und einem Sampler die Aufgabe, der Artenvielfalt des Jazz in Theorie und Praxis gerecht zu werden. Darüber hinaus fungierte der Meister des angebrochenen Satzgebildes auch noch als Programmansager. „Heute Abend spielt ein gewisser Pharaoh. Daran sehen wir: Jazz hält jung.“

Gut Lachen hatten die Programmgestalter des Deutschen Jazzfestivals schon lange, bevor Klockes Körpermotorik und Sprachzentrum in Frankfurt Amok liefen. Sechs Wochen im voraus war der große Sendesaal des Hessischen Rundfunks an allen drei Festivaltagen ausverkauft. Womöglich war es ein Special mit prominenten Tenorsaxophonisten, das die Menschen an die Vorverkaufsstellen eilen ließ. Einer der Repräsentanten dieses Instruments, Pharaoh Sanders, war ursprünglich mit der äthiopischen Sängerin Gigi auf die Programmzettel gesetzt worden. Die jedoch durfte nicht aus den USA einreisen. Ihr Mann, der Studio-Zampano Bill Laswell, musste nun ohne die Angetraute die Geschicke der bunt zusammengewürfelten Band Material in die Hand nehmen, was ihm wie üblich nicht gelang. Das diffuse Etwas, das phonreich über die Bühnenrampe dröhnte, erweckte den Eindruck, dass dem falschen Ehepartner das Visum verweigert wurde. Und Sanders gelang nur selten ein spirituelles Leuchten. Ziemlich ziellos zeigte sich auch der sympathische Hüne Jean-Paul Bourelly mit einem relativ grobschlächtigen Jam aus Rock, Funk, Blues, über den Archie Shepp uninspiriert hinwegfiepte. Von den über sechzigjährigen Tenoristen machte Gato Barbieri den besten Eindruck, obwohl er unerträgliche Arroganz ausstrahlte. Mit einem italienischen Quartett um Enrico Rava spielte er vitalen Mainstream-Jazz, endlich mal weit weg von der üblichen Seichtigkeit des Seins, die seine letzten Alben durchzog.

Punktsieger im Tenorschwerpunkt war Michael Brecker, der sich allein auf die Bühne traute, großen Atem bewies, neben weiten Bögen manche Kapriole schlug und seine Fantasie blühen ließ. Die des Publikums war bei der Hausband gefordert: die HR Big Band mit Stargast Ray Anderson integrierte Büro- und Alltagsgeräusche in ihre pfiffigen Arrangements. Zwei absolute Höhepunkte in Frankfurt: Aki Takase und Alexander von Schlippenbach zeigten an zwei Flügeln, was eine gute Ehe ausmacht. Man bewahrt sich seine Eigenheiten und geht trotzdem aufeinander ein. Und wie sie das taten. Auch das D.R.A. Trio des Vibraphonisten Christopher Dell war perfekt aufeinander abgestimmt. Erst nach drei Jahren intensiver Probe ging es ins Studio und auf die Bühne. Nun hat das Trio Tempovariationen und Akzentuierungen drauf, die aberwitzig abenteuerlich sind. Im nächsten Jahr steht in Frankfurt die große Jubiläumsausgabe des Deutschen Jazzfestivals an, das dann seit 50 Jahren über die Bühne geht. Da wird dann hoffentlich etwas mehr Mut gezeigt, denn ein Hang zu etablierten Namen, die eigentlich nicht mehr viel versprechen, besteht in Frankfurt schon seit einiger Zeit.

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