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Legt die Blues-Wurzeln des Country bloß: John Scofield beim Landesjazzfestival in Regensburg. Foto: Juan Martin Koch
Legt die Blues-Wurzeln des Country bloß: John Scofield beim Landesjazzfestival in Regensburg. Foto: Juan Martin Koch
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Konzertante Energieschübe von den Altmeistern

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Das erste bayerische Landesjazzfestival ging in Regensburg erfolgreich über die Bühne
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Ron Carter, Dusko Goykovich und John Scofields Projekt „Country For Old Men“: Fast hätte man meinen können, der Aufbruch, den das neue bayerische Landesjazzfestival signalisieren will, ruhe gänzlich auf den Schultern alter, weiser Jazzmänner. Ganz so war es dann aber doch nicht bei dieser ers­ten Festivalausgabe, die von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Jazz in Bayern und dem Jazzclub Regensburg gestemmt wurde.

Da waren zum Beispiel das Leo Betzl Trio, das als aktueller Träger des seit 2014 verliehenen LAG-Jazzpreises den Auftakt des Festival-Wochenendes bestreiten durfte, oder die Formation „Organ Explosion“, die die Nachwuchs-Fahne hochielten. Und auch ans ganz junge Publikum hatten die Programmgestalter gedacht: Mit der „Geschichte vom Jazzkäppi“ vermittelten die Herren von Bolero Berlin ihre Begeisterung an die Altersgruppe 5plus weiter. Über den Plot, der die verknöcherte, notenfixierte Klassik allzu schlicht gegen die kreative Freiheit des Gypsie-Swing ausspielt, tröstete die fein servierte Musik hinweg.

Ein weiteres ungewöhnliches Konzertformat lieferte Saxophonist Johannes Enders mit seinem auf Kirchenräume zugeschnittenen Projekt „Enders Dome“, dessen harmonisches Fundament eine Kirchenorgel bildet. Andy Lutter liefert dabei aber kein sphärisch-meditatives Wohlfühl-Wummern, sondern fein ausgehörte, immer wieder auch dissonant aufgeraute Akkordverbindungen. In ihrem Sog spinnt Enders zusammen mit Trompeter Martin Auer weite melodische Bögen aus, die dann zum Ausgangspunkt ihrer Improvisationen werden. Gregor Hilbes in allen Farben schillerndes Schlagwerk und die elektronischen Zuspielungen weiten den nach vielen Seiten hin offenen Klangraum zusätzlich.

Als eine Kernidee des Festivals hatten die Veranstalter im Vorfeld das Anliegen formuliert, bayerische Musiker „auf Augenhöhe mit den Stars“ zu präsentieren (siehe nmz 7/8-16). In diesem Sinne wurden zwei Doppelkonzerte programmiert, das erste mit der Lisa Wahlandt Band und Ron Carters Golden Striker Trio, das zweite mit dem Dusko Goykovich / Scott Hamilton Quintett und John Scofields neuem Country-Programm, wodurch sich eine Intensitätssteigerung zum Finale hin ergab.

Vokalistin Lisa Wahlandt – leider die einzige Jazz-Frau beim Festival – verließ sich bei ihrem Auftritt allzu sehr auf die bewährte Mischung aus intelligenten Pop-Adaptionen und charmanten Bossa-Anverwandlungen. Ihre Fähigkeit, bekannte Melodien durch leicht unterspannte Andeutungen in ein neues Licht zu tauchen, zündete nicht durchweg so wie bei dem einzig von Sven Fallers grandiosem Bassfundament gestützten „Billie Jean“. Zusammen mit Gerwin Eisenhauer ließ Faller unter dem Schutz von Rihannas „Umbrella“ noch einmal kurz seine Zeit als Bassist des Trio ELF aufleben.

Das gediegene Kontrastprogramm dazu kam von Altmeister Ron Carter und seinem Golden Striker Trio. Der Bandname spielt auf ein Stück von John Lewis an, Pianist des Modern Jazz Quartet, und signalisiert ausgefeilte, kammermusikalische Interaktionen. Dem Bass kommt in der schlagzeuglosen, auf den Swing der 1940er-Jahre verweisenden Besetzung mit Klavier und Gitarre jene Führungsrolle zu, die prominente Vorgänger wie Oscar Pettiford dem Instrument erkämpft haben. Der 79-jährige Carter zeigte sich in ausgezeichneter Verfassung, rollte in „My Funny Valentine“ dem famosen Tastenstreichler Donald Vega mit ausgefeilten Akkordgriffen – ein Finger der linken Hand bleibt für zusätzliche Pizzicati übrig – den harmonischen Teppich aus und krönte sein Solo-Kabinettstückchen „You Are My Sunshine“ mit einem musikalisch nicht unbedingt zwingenden Ausflug zu Bachs Präludium aus der C-Dur-Cellosuite. Vielleicht stand auch hier der Bach-Versteher John Lewis Pate. Als Dritter im Bunde steuerte Gitarrist Russell Malone viel Rhythmus-Energie und ein ausgefeiltes Nachspiel zur Jim-Hall-Hommage „Candle Light“ bei.

Old School Jazz im besten Sinne lieferten auch die beiden Altmeister Dusko Goykovich und Scott Hamilton an Trompete und Saxophon ab: Mit untrüglichem Gespür für Timing zelebrierten sie die Themen und verströmten in ihren Improvisationen die pure Lust am Swing. Wie für Ron Carter so scheinen auch für Goykovich – kürzlich hat er seinen 85. Geburtstag gefeiert – die Gesetze des Alters außer Kraft gesetzt. Geschmeidig wie eh und je formuliert er seine Phrasen, springt von klug genutzten Sprungbrettern aus zu mitreißenden High Notes und entlockt der gestopften Trompete in seiner „Ballad for Miles“ eine wunderbar in sich ruhende Kraft. Scott Hamilton nimmt vor „The Way You Look Tonight“ noch einen kräftigen Schluck aus einer womöglich energiehaltigen Dose. Wäre doch gar nicht nötig gewesen. So oder so zeichnet sein Spiel eine elegante Beweglichkeit aus, die ihm erst mal einer nachmachen muss.

Dann aber Scofield. Wer vorab sein schönes, aber allzu altersmildes neues Album „Country For Old Men“ gehört hatte, konnte sich nur wundern, welche Energieschübe daraus in der Konzertsituation erwuchsen. Vielleicht hätte das Label lieber diesen denkwürdigen Regensburger Auftritt für eine Veröffentlichung mitschneiden sollen … Scofield legt zusammen mit Larry Goldings (Orgel, Piano), Steve Swallow (E-Bass) und Bill Stewart (Schlagzeug) in einem ebenso liebevollen wie bisweilen schmerzhaften Prozess die Blues-Wurzeln alter und neuerer Country-Songs bloß. So verwandelt sich etwa der Traditional „Wayfaring Stranger“ in eine Art Blues March und Dolly Partons „Jolene“ in einen traurigen Walzer. Und die stille Verzweiflung von Hank Williams’ herzzerreißendem „I’m So Lonesome I Could Cry“ mutiert unter Scofields phänomenalen Fingern zu einem wütenden, von Larry Goldings’ mächtigen Orgel-Vibrationen durchpulsten Aufschrei. Bill Stewarts rhythmische Wendigkeit und subtile Härte rauen die Oberflächen zusätzlich auf und mittendrin zupft ein Steve Swallow mit stoischer Ruhe und balsamischem Ton seine aberwitzigen E-Bassläufe.

Das künstlerische und organisatorische Fazit dieses ersten großformatigen Arbeitsnachweises der neu aufgestellten bayerischen LAG Jazz kann sich also sehen lassen. Welche mittelfristigen Ziele sie damit in Sachen Jazzförderung wird anstoßen können, muss sich erst noch erweisen. Bei der Festivaleröffnung durfte sich die Landespolitprominenz jedenfalls erst einmal vom ehemaligen Vorsitzenden des baden-württembergischen Jazzverbandes Friedhelm Schulz anhören, wie es in den vergangenen Jahrzehnten auch hätte laufen können.

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