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Laster und Tugend im Ländle

Untertitel
The Black Crowes live in Stuttgart am 30. Mai 2024
Vorspann / Teaser

Muss man noch auf Livekonzerte gehen, deren dynamische Preisanpassung exponentiell steigt, je näher das Konzert kommt? Ein klares „Ja“. Aus zwei Gründen: The Black Crowes spielen in Deutschland. 

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Und: Ein Ticket kostet schlappe 75 Euro. Beim Konzert der Black Crowes in der Stuttgarter Liederhalle (Beethoven Saal) darf man neben dem fairen Ticketpreis zudem noch dankbar sein, die Brüder und Teilzeit-Streithähne Chris und Rich Robinson noch einmal auf einer gemeinsamen Bühne während ihrer „Happiness Bastards“-Tour zu sehen. Es spricht also wenig gegen einen Abend mit Rock’n’Roll, Soul und Blues. Wäre da nicht die Stuttgarter Liederhalle beziehungsweise deren Beethoven Saal. Schön, dass man sich einst ein ausgefeiltes Akustikkonzept designen ließ. Doch für Rockbands bleibt jenes zumindest an diesem Abend mysteriös. Darunter leiden zunächst Jim Jones All Stars, die den Abend mit funkigem, bassverwurzeltem Garagensound zwischen James Brown und George Clinton eröffnen dürfen, aber wenig dafürkonnten, dass sich der bestimmt bassige und mit Bläsern brachial angedickte Sound irgendwo zwei Meter vor dem Bühnenrand verfing und in einer diffusen Klangwolke recht stur verharrte. Vorhang zu. Und auf. 

Pünktlich, wie es sich für ältere Herrschaften und deren mitgealtertes Publikum geziemt, betraten um 21 Uhr die Black Crowes die Bühne. Wobei es sich eher um einen Rock-Zirkus handelte, so zumindest lässt sich das spartanische, aber charmante Bühnendekor mit Glühbirnen im Zeltdach-Style und einem sicher absichtlich ungeputzten Spiegel als Manegen-Eingang einordnen. Als Zirkusdirektor kam ausschließlich Sänger Chris Robinson in Frage, der fabelhaft aufgelegt war, beschwingt über die Bühne tänzelte, beispiellose Jagger-Moves zelebrierte und stimmlich nicht immer, aber sehr oft überzeugte. Denn freilich sind es diese halbschrägen, fast schief wie kratzig daneben liegenden Töne, die den Sound der Black Crowes seit jeher prägen. 

Und das passte in Stuttgart durchaus. Die Mischung aus neuen Songs und altem Material (siehe Setliste) lässt sich als gebührend beurteilen, insbesondere die exzellenten Versionen von „By your side“ und „Seeing things“ gilt es dabei hochzujubeln. Niemand barmt schöner als Chris Robinson, doch Kunststück: Er hat einiges mitgemacht. Umso schöner war es, ihn derart locker und befreit zu sehen. Es gab Zeiten, da kauerte Chris Robinson auf einem Barhocker, eingehüllt in schwarze Gewänder und schien der anderen Seite näher als dem Leben. Begleitet wird er in seinem neuen Leben Gott sei Dank wieder von seinem jüngeren Bruder Rich Robinson an der Gitarre, dem Stoiker der beiden Brüder. Rich Robinson brillierte an diesem Stuttgarter Abend an allen 16 Gitarren, die ihm für jeden einzelnen Song neu gereicht wurden. Eine Gitarrensammlung, die jedem Gitarristen ein Tränenmeer in die Augen zauberte, zumal Rich Robinson vor einer museumsreifen Auswahl an klassischen Gitarrenverstärkern stand, die für vorher genannte Gitarristen dann emotional nicht mehr zu verarbeiten war. 

Ein gelungener Abend mit den Black Crowes, deren Backgroundsängerinnen Mona Lisa Young und Charity White unbedingt erwähnt werden müssen, helfen sie doch Chris Robinson nicht nur über holprige Höhen hinweg, sondern füllen den Sound der Black Crowes mit karamellisierender Magie. Fast typisch deutsch endete auch dieses Konzert – wie jedes weitere der aktuellen Tour – nach 16 Songs, aber: Dass Stuttgart trotz des breiigen Sounds mit einer eher selten gespielten Version von „Virtue & Vice“ (vom Album „By your side“) als Zugabe bedacht wurde, machte den Abend zwar nicht zu einem denkwürdigen, aber schon zu einem besonderen. 

  • Setlist: Bedside Manners, Dirty Cold Sun, Twice as Hard, P.25 London, By Your Side, Cross Your Fingers, Seeing Things, Road Runner, Thorn in My Pride, Wanting and Waiting, Hard to Handle, She Talks to Angels, Follow the Moon, Sting Me, Jealous Again, Remedy, Zugabe: Virtue and Vice

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