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Furios oder fragwürdig: Flamenco-Fusion bei Chick Corea. Foto: P. Steinheißer
Furios oder fragwürdig: Flamenco-Fusion bei Chick Corea. Foto: P. Steinheißer
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Musik allein genügt nicht mehr

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Die Stuttgarter Jazz Open als große Popfeier in der Innenstadt – echter Jazz hat es jedoch schwer
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Die Stuttgarter Jazz Open zählen seit Jahren zu den Megaevents der Stadt, was nicht zuletzt an den attraktiven Spielstätten liegt. Nach den Anfängen im Bankenviertel und einem wenig erfolgreichen Gastspiel in den Messehallen hat sich das Festival mittlerweile an einigen der schönsten Locations in Stuttgart etabliert. Dazu zählt vor allem der Innenhof des Alten Schlosses, in dessen stimmungsvollem Ambiente – das dazu noch eine sehr akzeptable Akustik aufweist – jene Veranstaltungen stattfinden, die sich an ein größeres, aber eben nicht in die Tausende gehendes Publikum richten.

In diesem Jahr waren das unter anderem Chick Corea, Bobby McFerrin und Chilly Gonzalez, dazu die Wiener Anarchobläser von Mnozil Brass. Deren Auftritt stand in seiner Mischung aus Unterhaltung und hochklassiger Bläserkunst beispielhaft für eine Tendenz, die gerade bei den Konzerten im Alten Schloss zu beobachten war: Musik allein genügt nicht (mehr). Man muss auch ein bisschen Action auf der Bühne bieten.

Im Falle des Klavierperformers Chilly Gonzalez versteht sich das von selbst, und auch von Bobby McFerrin ist man seit einigen Jahren gewohnt, dass er die altersbedingte Beschränkung seiner stimmlichen Fähigkeiten durch Mitsingspiele kompensiert. Beim Auftritt von Chick Corea, immerhin einem der bedeutendsten Protagonisten des aktuellen Jazz, konnte man aber ins Grübeln kommen.
Sein ausverkauftes Konzert bot eine Neuinterpretation des 1976 erschienenen Albums „My spanish heart“, auf dem Corea spanische und lateinamerikanische Einflüsse mit dem damals entstehenden Fusionsound verbunden hatte. Für das Konzert hatte Corea außer einem Flamencogitarristen noch einen Tänzer engagiert, dessen Machoposen und Füßegetrappel bei dieser Musik – die mit Flamenco rein gar nichts zu tun hat – mitunter fast peinlich wirkten. Auch schien der Auftritt nicht gut vorbereitet. Wie bei einer Jamsession traten da die Bläser auf und ab, um ihre Soli abzuliefern, ein Fünfminutenstück wurde so schon mal auf das Dreifache ausgedehnt, was der Spannung nicht eben zuträglich war. Bei „Armando’s Rhumba“ brach Corea gar nach wenigen Takten ab und begann nochmal von vorne – sowas erlebt man auch selten, in dieser Liga zumal. Immerhin: Am Ende war man, nach zwei fulminant hingelegten Zugaben, darunter dem Klassiker „Spain“, dann doch wieder einigermaßen versöhnt.

Atemberaubender Jazz

Echter Jazz, das wurde hier deutlich, hat es heute zunehmend schwer, ein Publikum zu erreichen, vor allem, wenn es sich nicht um die ganz großen Namen handelt. Die Veranstalter haben daraus Konsequenzen gezogen und solche Konzerte in kleinere Säle verlegt. In den Jazzclub BIX, wo der Saxofonist Bill Evans, einst Sideman von Miles Davis, zusammen mit dem Schlagzeuger Wolfgang Haffner ein mitreißendes Konzert gab.

Das war immerhin ausverkauft – im Gegensatz zu dem des Quintetts um den Saxofonisten Chris Potter und den Trompeter Avishai Cohen im  SpardaWelt Eventcenter. Dass bei einem etablierten Festival nicht einmal mehr 400 Interessierte zu einem Konzert der  weltbesten Jazzmusiker kommen, könnte einen, was die Zukunft des Jazz anbelangt, pessimistisch stimmen. Gut, diese Musik ist anspruchsvoll – aber das ist eine Sinfonie von Schostakowitsch auch. Und was hier in knappen zwei Stunden an instrumentaler Brillanz und Dichte des Zusammenspiels geboten wurde, war atemberaubend.

Gerade mal 30 Euro kostete da eine Karte, ein Bruchteil von dem, was man etwa für das Konzert von Bob Dylan auf der Open Air-Bühne auf dem Schlossplatz hinlegen musste. Die Ehrfurcht vor dieser nobelpreisgekrönten Folkrocklegende war fast mit Händen zu greifen, beim Lesen mancher Presseberichte meinte man gar, der Messias persönlich wäre erschienen.

Dass der Meister gelegentlich lächelte, wurde als Zeichen seiner überaus guten Laune gedeutet, dass der 78-Jährige gar tänzelte bewies seine ewige Jugend. Musikalisch war das Konzert ordentlich, es gab viele alte Songs, beginnend mit „Ballad of a thin man“ über „It ain’t me, babe“ bis zum finalen „Blowin’ in the wind“, wobei sich Dylan redlich mühte, diese Klassiker so zu singen dass man sie möglichst nicht erkannte.

Open Stage

Die krankheitsbedingte Absage von Sting ließ das Publikum beim ersatzweise angesetzen Auftritt von Emeli Sandé auf knapp 2.000 schrumpfen, die dafür erstklassigen Soul geboten bekamen. Jazz Open-Dauergast Jamie Cullum feierte seine Party diesmal im Regen, aber ansonsten hatte man Glück mit dem Wetter. Löblich auch, dass die Veranstalter, die Opus GmbH, in diesem Jahr auch einige Open Stage Bühnen mit freiem Eintritt bespielten, die auch Musikern der regionalen Jazzszene Auftrittsmöglichkeiten boten. Darunter war durchaus Innovatives: etwa die Melange von Clubmusik und Jazz des vom Bassisten Axel Kühn ins Leben gerufenen Projekts AK Ambience im Stadtpalais. Neben dem Drummer Johann Polzer war hier auch der fabelhafte Stuttgarter Gitarrist Christoph Neuhaus mit von der Partie. Dessen vor Spannung berstende Soli gehören, im Rückblick betrachtet, vielleicht zum Eindringlichsten, was von diesen Jazz Open in Erinnerung bleiben wird.

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