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Der schwere Duft der Anarchie
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Es gibt die neue elektronische Musik der verschiedensten Spielarten, die merkwürdigerweise manchmal in Paris oder Tokio, in London oder New York mehr geschätzt wird als hierzulande, „in the hood“. Und es gibt natürlich weiterhin, auf höchstem Niveau, die im weitesten Sinn schlagzeug- und gitarrengetriebene Musik, die sich nicht mit dem Studio- oder Klub-Dasein oder momentanen Massen-Events zufrieden gibt, sondern, wie es einst in der programmatischen Tocotronic-Hymne hieß, „Teil einer Jugendbewegung“ sein, also die Welt erzählen und verändern möchte. Diese Musik, die oft so wirkte, als sei sie eigentlich lyrisches Bekenntnis oder Pamphlet, neues Hörstück oder politisches Variété voller Masken und Täuschungen, und die manchmal ein wenig nonchalant so tat, als benutze sie den unverkennbaren „Lärm“, den Sound, der ihr Markenzeichen wurde, nur als Medium, entzog sich der Eindeutigkeit. Mal war sie anarchisch, dann wieder moralisch, mal voller Pathos, dann wieder so ironisch und subversiv, dass sie alle Sicherheiten und Ordnungen auflöste. Das Zentrum dieser Bewegung war Hamburg. Und wer die Anfänge der „Hamburger Schule“ studieren möchte, der hat jetzt dazu Gelegenheit, denn Jochen Distelmeyer und seine Band „Blumfeld“, die einst mit Gymnasiasten-Ernst radikale Selbsterkundung und Weltrevolution in einem existentiellen Projekt der ersten und, wie sie meinten, letzten Stunde verbanden, geben jetzt, da sie, „tausend Tränen tief“, längst im altersweise-abgründigen Pop gelandet sind, drei Singles der Jahre 1991/92 unter dem schwindelnden Titel „Die Welt ist schön“ heraus (bei Zickzack/Indigo). Da gibt es „Sexy“-Klassiker zu hören wie „Verstärker“, mit der längst zum Sprichwort gewordenen Parole „Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg“, aber auch „Sing Sing“ als A capella-Talking Blues und einige B-Seiten-Songs, die man nicht unbedingt kennt beziehungsweise wiederentdecken kann. Manchmal wünscht man sich, das spätere differenzierte, man könnte auch sagen fatal-gebrochene Liedgut im Ohr, die Breitwand-Gitarren-Fronten und heftigeren Distelmeyer-Bekenntnisse zurück.

Es gibt die neue elektronische Musik der verschiedensten Spielarten, die merkwürdigerweise manchmal in Paris oder Tokio, in London oder New York mehr geschätzt wird als hierzulande, „in the hood“. Und es gibt natürlich weiterhin, auf höchstem Niveau, die im weitesten Sinn schlagzeug- und gitarrengetriebene Musik, die sich nicht mit dem Studio- oder Klub-Dasein oder momentanen Massen-Events zufrieden gibt, sondern, wie es einst in der programmatischen Tocotronic-Hymne hieß, „Teil einer Jugendbewegung“ sein, also die Welt erzählen und verändern möchte. Diese Musik, die oft so wirkte, als sei sie eigentlich lyrisches Bekenntnis oder Pamphlet, neues Hörstück oder politisches Variété voller Masken und Täuschungen, und die manchmal ein wenig nonchalant so tat, als benutze sie den unverkennbaren „Lärm“, den Sound, der ihr Markenzeichen wurde, nur als Medium, entzog sich der Eindeutigkeit. Mal war sie anarchisch, dann wieder moralisch, mal voller Pathos, dann wieder so ironisch und subversiv, dass sie alle Sicherheiten und Ordnungen auflöste. Das Zentrum dieser Bewegung war Hamburg. Und wer die Anfänge der „Hamburger Schule“ studieren möchte, der hat jetzt dazu Gelegenheit, denn Jochen Distelmeyer und seine Band „Blumfeld“, die einst mit Gymnasiasten-Ernst radikale Selbsterkundung und Weltrevolution in einem existentiellen Projekt der ersten und, wie sie meinten, letzten Stunde verbanden, geben jetzt, da sie, „tausend Tränen tief“, längst im altersweise-abgründigen Pop gelandet sind, drei Singles der Jahre 1991/92 unter dem schwindelnden Titel „Die Welt ist schön“ heraus (bei Zickzack/Indigo). Da gibt es „Sexy“-Klassiker zu hören wie „Verstärker“, mit der längst zum Sprichwort gewordenen Parole „Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg“, aber auch „Sing Sing“ als A capella-Talking Blues und einige B-Seiten-Songs, die man nicht unbedingt kennt beziehungsweise wiederentdecken kann. Manchmal wünscht man sich, das spätere differenzierte, man könnte auch sagen fatal-gebrochene Liedgut im Ohr, die Breitwand-Gitarren-Fronten und heftigeren Distelmeyer-Bekenntnisse zurück. Wo Blumfeld, einst zumindest, Politbüro waren, politisch korrekt bis in die Haarwurzeln, da verstanden sich die androgynen Tocotronic-Helden schon immer als Streetfighter, waren frech und ungeniert und ersparten auch der eigenen Klientel nicht die eine oder andere bittere Wahrheit. Ihr neues Album „Tocotronic“ (L’Age d’or/Rough Trade) kokettiert zumindest im Opener „This Boy Is Tocotronic“, mit den pop-prophetischen Versen „Deine Augen sehen/was meine Augen sehen“, ein wenig mit New Electronica, kehrt dann aber rasch zu rüd-gitarresken, repetitiven Songformen zurück. Dabei werden Tocotronic für die zerfledderte Jugendbewegung der Postmoderne zu konsumkritischen Pasolinis, aber ohne die Düsternis und Verzweiflung des italienischen Kommunisten und Katholiken: „Alles muß im Überfluß/ vorhanden sein. Dann sind wir nie allein.“ Ihr Song „Das Böse Buch“ beginnt berückend-liebeslyrisch („Du strahlst heller als der hellste Stern“, so dichtet auch Distelmeyer neuerdings, aber bei Tocotronic sind die Verse hinterfotziger), macht dann aus dem umlaufenden Medien-Müll existentielle Mantras und variiert schließlich ein vertrautes Reflexionsmuster auf durchaus überraschende Weise: „Wir sind wie die Älteren/nur viel schlimmer.“

Verglichen mit Blumfeld oder Tocotronic waren die Sterne schon immer weniger zuordenbar, nicht so sehr Teil einer Jugendbewegung, sondern die diffusen Effekte herrschender Medienphantasmen. „Irres Licht“ (bei Virgin) reflektiert, was übrig bleibt, wenn Geschichten so und so oft erzählt worden sind. Bei den Sternen sind selbst die scheinbar authentischsten Erfahrungen immer schon Form, Resultat komplizierter Vermittlungen. Auf diese Weise kann man auch privateste Geschichten erzählen, ohne dass sie peinlich wirken. Der Sound wirkt noch straight, hat aber schon das Cinemascope-Format im Auge.

Rocko Schamoni ist eine Generation älter. Als linkisch-teddybärenhafter Teenager landete er vor Urzeiten mit „Fred vom Jupiter“ einen der größten und in seiner Simplizität intelligentesten Neue deutsche Welle-Hits. „Der schwere Duft der Anarchie“ (bei Virgin) ist fast schon nicht mehr Pop, sondern ein berückendes Gesamtkunstwerk. Rocko Schamoni erzählt seine Geschichten, in die alles, was er gehört, gesehen und erlebt hat, eingegangen ist. Das Resultat sind Mini-Dramen, kleine Hörstücke voller Witz, sehr ironisch und sophisticated, mit einem seltenen Bewusstsein für die Form des Songs oder Schlagers gesegnet, dabei aber nie nur „camp“, sondern stets sehr unterhaltsam und überraschend. Rocko Schamoni wollte vermutlich nie Teil einer Jugendbewegung sein. Er ist ein Einzelgänger, ein Flaneur, der die Szenen und Lebenswelten immer nur passiert und Engagement so wenig elegant findet, dass er es lieber vermeidet. Dennoch ist er, en detail, oft subversiver als Distelmeyer, spielt mit den Formen und zeigt, was die Welt im Innersten zusammenhält: all die alten Gefühle, die er charmant vorführt, so lange, bis sie kippen oder zumindest seltsam werden. Wem nicht ganz wohl ist bei der Wiederbelebung der „urbanen“ Unterhaltung made in Germany, der kann sich beim sanften Spötter Rocko Schamoni sicher fühlen.

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