Alte Männer, ältere Genres: Was tun, wenn die Ideale den „winds of change“ nicht standhalten und kollabieren – und wenn der physische Verfall dafür sorgt, dass selbst die klarsten Gefühle und hellsten Erregungen als dumpfe Sentiments, ja Ressentiments ihr Wiedergängerleben führen? Für Neil Young stellt sich, scheinbar, diese Frage nicht. Seine Hipness bestand, für Pop-Theoretiker wie für Hardcore-Fans, immer schon darin, dass er wie aus allen Zeiten und Zusammenhängen herausgefallen daherkam. Tapferkeit vor den Freunden hieß seine Devise: Er fand bereits in den 70ern AKWs gut und die No-Nukes-Bewegung nicht nur gedanklich bescheiden, und wie der andere Pate der Punks, Iggy Pop, konnte auch er Ronald Reagan einiges abgewinnen. Die Interpreten von Youngs lyrischen Verlautbarungen taten sich stets schwer: Wo die einen den Maestro popmythologischer Verdichtung am Werk sahen, entdeckten die anderen nur einen „terrible simplificateur“. Der Charme seines „rockin‘ in the free world“ bestand in der Nicht-Festlegbarkeit: klare Worte, die rasch ausfransten, wenn man sie zu genau in den Blick nahm. Was jedem anderen geschadet hätte, das Chamäleonhafte in den Haltungen, der virtuose Wechsel zwischen den Genres und Bands, das mehrte nur Neil Youngs Ruhm. Je virtuoser er an seinen Netzwerken strickte, desto mehr erschien er als großer Einzelgänger.
Alte Männer, ältere Genres: Was tun, wenn die Ideale den „winds of change“ nicht standhalten und kollabieren – und wenn der physische Verfall dafür sorgt, dass selbst die klarsten Gefühle und hellsten Erregungen als dumpfe Sentiments, ja Ressentiments ihr Wiedergängerleben führen? Für Neil Young stellt sich, scheinbar, diese Frage nicht. Seine Hipness bestand, für Pop-Theoretiker wie für Hardcore-Fans, immer schon darin, dass er wie aus allen Zeiten und Zusammenhängen herausgefallen daherkam. Tapferkeit vor den Freunden hieß seine Devise: Er fand bereits in den 70ern AKWs gut und die No-Nukes-Bewegung nicht nur gedanklich bescheiden, und wie der andere Pate der Punks, Iggy Pop, konnte auch er Ronald Reagan einiges abgewinnen. Die Interpreten von Youngs lyrischen Verlautbarungen taten sich stets schwer: Wo die einen den Maestro popmythologischer Verdichtung am Werk sahen, entdeckten die anderen nur einen „terrible simplificateur“. Der Charme seines „rockin‘ in the free world“ bestand in der Nicht-Festlegbarkeit: klare Worte, die rasch ausfransten, wenn man sie zu genau in den Blick nahm. Was jedem anderen geschadet hätte, das Chamäleonhafte in den Haltungen, der virtuose Wechsel zwischen den Genres und Bands, das mehrte nur Neil Youngs Ruhm. Je virtuoser er an seinen Netzwerken strickte, desto mehr erschien er als großer Einzelgänger.Wie aber lässt sich sein heroischer Epitaph auf die Männer des 11. September lesen? Young, der Hippie und Punk, der Country-Outlaw und Soul-Crooner und meinetwegen auch Frankenstein einer elektroiden Trance als bellizistischer Verse-Schmied, dessen patriotisch-heroischer Anti-Satanismus selbst einen kreuzzüglerisch-gegerbten Dick Cheney- oder Donald Rumsfeld-Rücken mit einer pubertär-erregten Gänsehaut überziehen könnte? Young als Bush-Krieger? Auf der großen Totenfeier stimmte er noch Lennons „Imagine“ an, dann aber verwandelte er sich in einen überirdischen Buddy von Todd Beamer und Co.: erst klingt einem das unheimlich-jenseitige Handy-Läuten in Ohr und Magengrube, dann rumpeln die Rock-Gitarren düster durch die Eingeweide und schließlich verwandelt Neil Young die letzten Heldenworte, die eine verletzte Nation halbwegs aufrichteten in eine alternative Hymne, die in den amerikanischen Radios seit Monaten, wie der Fachausdruck lautet, „rotiert“: „Let’s roll for Freedom/Let’s roll for Love/We’re goin‘ after Satan/On the wings of a Dove“. Da geht einiges durcheinander, aber Neil Young ficht das nicht an. Er versteht sich schlicht als Chronist eines pathetischen Augenblicks. „Are You Passionate?“ lautet der Titel seines neuen, 38. (!) Albums (bei WEA) – und es ist nicht nur im Schicksalsstunden-Kontext nicht so quietistisch-altersabgeklärt wie der Vorgänger „Silver and Gold“. Young zieht Bilanz: Es sind die großen Ambitionen und Verluste, die da auf der Waagschale landen. Und wer nur auf die Worte hört, hört zu wenig. Bei Neil Young war der Sound, das noch nicht durchschaute Gitarren-Lärmen oft wichtiger als das scheinbar klare Bekenntnis.Was bei Neil Young verblüfft: dass er mit so viel Eigenheit, mit so entschiedenem Authentizitäts- und Improvisations-Willen, der manchen Song, wühlend und repetitiv, an die Zehn-Minuten-Grenze treibt, über die Jahrzehnte hin chartskompatibel und Festival-Headliner bleiben kann. Ein Wüterich der nächsten oder übernächsten Generation wie Jon Spencer tut sich da sehr viel schwerer. Er muss zusehen, wie die platteren Nachkommen von den Strokes und den White Stripes offenbar besser mit der jugendlichen Ungebärdigkeit, dem ewigen Mix aus Revolte und Vitalität kommunizieren. Das führt zur Alters-Wut, aber auch zur Relaunch-Bereitschaft. Natürlich ist „Plastic Fang“ (Mute/Virgin) alles andere als glatt. Aber immerhin versucht Jon Spencer seinen wüsten, dekonstruktiv-explodierenden „Blues“ dadurch verträglicher zu machen, dass er ihn in die Produzenten-Hände eines Steve Jordan gibt, der auch schon für das Tuning von Mick Jaggers Solo-Karriere zuständig war. Der holt das Publikum dort ab, wo er es vermutet, führt es aber rasch in den höllischen Underground von Jon Spencers nach wie vor unverwechselbaren Remix von einem halben Jahrhundert Rock-History. Und als wäre das ein endgültiges credibility-Siegel sucht er live die Zusammenarbeit mit Ike Turner, der schon Anfang der 50er-Jahre als erster (von vielen „ersten“) im heftigen R’n’B die Blaupause für das everlasting-Erfolgsmodell Rock’n’Roll entdeckt haben soll. Keine Altersmüdigkeit? Keine. Es sei denn, man wunderte sich, dass ein Jon Spencer plötzlich ein Interesse an wenn auch düsteren Wiegenliedern entdeckt und sich mit einem anderen Jon(as) „down in the beast“ auf den finsteren, kalten Grund des Meeres versetzt.
Alles andere als düster, nämlich beinahe schon provozierend hell, freundlich, permanent und bis zum Exzess ja-sagend geht es auf der Kooperation zweier in die Jahre gekommener Indie-Legenden zu: Teenage Fanclub und Jad Fair feiern auf „Words of Wisdom and Hope“ (Domino/Zomba) alles, was es gibt, so ausdauernd und ungeniert, bis alle Bösen oder auch nur Bedenklichen den Weg frei machen für diese wunderbar-undergroundige Glücks-Vision. Herz und Bewusstsein gehen einem dabei so nachhaltig auf, dass man Äpfel in Pfirsichbäumen entdeckt und Pfirsiche in Apfelbäumen. Das ist wie wenn Löwe und Schaf alle Nahrungsketten-Arithmetik vergessen würden und auf immer und ewig einträchtig nebeneinander grasten. Dass dieses Eden kein Kitsch-Idyll wird, sondern eher ein nietzscheanisches Labyrinth oder ein Utopia auf Acid, dafür sorgen der rau-entspannte Fanclub-Gitarrensound, der Intensität nicht per se mit Speed verwechselt, und Jad Fairs sonore Erzähler- und Crooner-Stimme, bei der man durchaus damit rechnen muss, dass es mitten aus dem Hellen heraus plötzlich blitzt und donnert.