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Alles, was wir von der Welt wissen, sagt der Soziologe Niklas Luhmann, wissen wir über Medien. Das ist ein wenig zugespitzt – und so ins logische Paradox getrieben: denn wo es überhaupt nichts „Primäres“ mehr gibt, kann es auch nicht „sekundär“ vermittelt werden. Aber es formuliert recht treffend eine Grunderfahrung der Post-Moderne der sogenannten Informations- und Wissensgesellschaft und auch eine verbreitete ästhetische Strategie. Kunst ist nicht mehr Ausdruck oder Schöpfung, das Darstellen und Herstellen von etwas, das es so noch nicht gab; sie wird reflexiv; sie bezieht sich auf ein Anderes, das sie bricht und bearbeitet, vielleicht auch nur verschiebt und montiert. Kunst ist natürlich weiterhin (Arbeit an der) Form, aber der Materialcharakter, das Zitieren und Thematisieren dessen, was in sie eingeht und sie mitkonstituiert, wird immer wichtiger.

Alles, was wir von der Welt wissen, sagt der Soziologe Niklas Luhmann, wissen wir über Medien. Das ist ein wenig zugespitzt – und so ins logische Paradox getrieben: denn wo es überhaupt nichts „Primäres“ mehr gibt, kann es auch nicht „sekundär“ vermittelt werden. Aber es formuliert recht treffend eine Grunderfahrung der Post-Moderne der sogenannten Informations- und Wissensgesellschaft und auch eine verbreitete ästhetische Strategie. Kunst ist nicht mehr Ausdruck oder Schöpfung, das Darstellen und Herstellen von etwas, das es so noch nicht gab; sie wird reflexiv; sie bezieht sich auf ein Anderes, das sie bricht und bearbeitet, vielleicht auch nur verschiebt und montiert. Kunst ist natürlich weiterhin (Arbeit an der) Form, aber der Materialcharakter, das Zitieren und Thematisieren dessen, was in sie eingeht und sie mitkonstituiert, wird immer wichtiger.Das gilt auch für die Musik – und zwar keineswegs nur im E- oder Avantgarde-Bereich. Selbst Pop ist zunehmend Musik, die andere Musik voraussetzt. Und je künstlicher die pop-musikalischen Strategien und Inszenierungen werden, desto wichtiger wird die Differenz zum Realen, das als Schmutz und Gewalt, als bewusst roh gehaltener „Rest“ den ästhetischen Schein weitgehend prägt.

Reflexiv wird Pop sogar in den Genres, deren Kern bisher explizit die Behauptung von Authentizität und „Natürlichkeit“ war, etwa im Country-Rock von Blue-Rose-Acts wie The Silos oder Steve Wynn. Sowohl Silos-Mastermind Walter Salas-Humara als auch Steve Wynn inszenieren ihre Karrieren als „brüchig“ – was zuerst schon in einem ganz äußerlichen Sinn zutrifft, als Vagabundieren zwischen verschiedenen Labels, mit Abstechern zur Industrie. Dieses Label-Hopping hat zur Folge, dass jedes neue Album marktstrategisch als „relaunch“, als Neustart unter veränderten Bedingungen positioniert wird. Dadurch wird aber auch die eigene Geschichte und die der Genres, in und von denen die eigene Musik lebt, in einem heftigeren Sinn historisch als es vielleicht sonst der Fall wäre. Das neue Silos-Album „Laser Beam Next Door“ ist nicht so „erdig“, wie es vielleicht das Publikum gerne hätte. Alles, was man sich von Walter Salas-Humara wünscht, ist „da“ – aber immer hat es einen Schatten, eine Referenz, die man nicht los wird: Jedes Gitarren-Riff, jedes kleinste Solo auf der Orgel handelt immer auch von all den anderen kleinen Motiven, Gimmicks und Verarbeitungen, die man „auf“ diesen Instrumenten schon gehört hat. Und die Songs selbst, die Short Storys aus dem beschädigten, aber weiterhin sehnsüchtigen Leben, erzählen all die Geschichten weiter, die man von den Silos, von ihren Vorgänger- und Bruder-Bands und natürlich von den Begründern der diversen Genres, die in dieses neue chimärische Zwischenreich von Rock, Folk, Country et cetera eingehen, bereits kennt. Dass es so vieles schon gibt, ist nicht Beschränkung der eigenen Kreativität, sondern Bedingung des Reichtums: Differenzen, kleine und kleinste Schönheiten werden dadurch überhaupt erst möglich.

Das gilt natürlich auch für eine Kitty-Yo-Band wie Kante, deren kleiner, derzeit auf manchen Radiostationen zu hörender Hit „Die Summe der einzelnen Teile“ die voraussetzungsreiche Puzzle- und Patchwork-Ästhetik leitmotivisch und voller Witz im Detail durchspielt. Die Schwerkraft der Verhältnisse, die ganze Maschinerie, die notwendig ist, damit Schönheit und Sinn zustande kommt, wird nicht verborgen, sondern ausgestellt; was sonst nur Mittel der Erzählung ist, wird selbst erzählt. Dabei ist die Kante-Geschichte vermutlich noch komplizierter als die der Silos oder Steve Wynns, weil hier die anglo-amerikanische Tradition mitspielt, aber natürlich auch eine Variante deutschen Pops, poetisch und politisch, und paradoxerweise sogar die Tradition des Schlagers, der nicht mehr einfach verleugnet wird. War Pop früher vor allem schnell, so geht es auf dem Kante-Album „Zweilicht“ langsam und gelassen zu. Historisches Bewusstsein, Selbstreflexion et cetera erscheinen hier im Material, als Addition der einzelnen Teile.

Pursten Pop, aber eben selbstreflexiv, verspielt und diverseste benachbarte Genres und Traditionslinien integrierend, präsentiert das „We Love You“-Label, das zum großen, weiten Virgin-Reich gehört und dessen zwei Label-Kompilationen „We Love You ... So Love Us (Too)“ zu den begeisternden und „beschwingenden“ Neuerscheinungen der letzten Zeit gehören. Wenn die Label-PR damit hausieren geht, dass sie klingen wie Mixtapes für einen besten Freund, dann ist das alles andere als gelogen – und charakterisiert recht gut das Verfahren: Man muss viel bedenken und so manche Rücksicht nehmen, es soll überraschend sein und doch einen „flow“ haben, der mitten ins Leben des geliebten Anderen passt. Auf „We Love You“ gibt es die ganze Geschichte herz- und körpererweichenden Pops seit den Sixties, vielfach verarbeitet und remixt, immer raffiniert, und doch so naiv und unschuldig „als wär’s das erste Mal“. Ein must!

Zurück zu Country und einem der Genre-Heroen: Dwight Yoakam weiß, was mit einem Country-Rebell passiert, der in die Jahre kommt. Yoakam pariert aber das Herannahen des Verfallsdatums äußerst sophisticated: Sein Southwest-Country auf „Tomorrow’s Sounds Today“ (WEA) ist transgen und infektiös. Er baut in das unverkennbare Yoakam’sche Universum alle erdenklichen Genres ein: vom „catchy“-Rockabilly über Buddy-Holly-Reminiszenzen bis hin zu der wüsten Cajun-Folklore der Louisiana-Sumpflandschaften. So entsteht ein wunderbares und beim oberflächlichen Hinhören ganz konventionelles Country-Album, von dem man erst nach einiger Zeit bemerkt, dass es offensichtlich „from outer space“ kommt.

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