Man könnte es auch zynisch betrachten: Der beste Star ist der Anti-Star. Am meisten Beachtung findet der, der sich verweigert oder zumindest rar macht. Die suggestivste PR-Strategie ist die, die sich permanent selbst dementiert. Aber vermutlich meint es Thom Yorke genauso bitterernst wie Kurt Cobain: Er will den Erfolg, aber nicht seinen Preis. Er will für die Kids all over the world und ein paar versprengte bohemienistische Intellektuelle der Held ihrer Wünsche sein – und scheut dann doch davor zurück: keine Macht für niemand; dafür Subversion, ewige Revolte, eine „Suche“, die sich nie zufrieden gibt und ein Festhalten an Idealen, von deren Unmöglichkeit man sich längst überzeugen konnte. Wie Nirvana nach „Nevermind“, versuchte auch Radiohead nach dem 97er-Mega-Seller „OK Computer“ einen Erfolg zu unterlaufen, der ihnen selbst unheimlich war, weil er Kommerz und Kult zu verbinden schien. Die, die nur Teil einer Jugendbewegung sein wollten, waren plötzlich die Mitte der Welt, Cash-Kühe für die Industrie und role-models für alle, die das eigene Leben gern delegieren und als pure „substitutes“ ihrer Heroen konsumieren. Aber die Wurzellosigkeit eines globalisierten Erfolgs erzeugt einen regressiven Impuls: Cobain wollte zurück „in utero“, Thom Yorke zumindest zur Peripherie, wo er herkam und wo alles Neue sich ereignet.
Man könnte es auch zynisch betrachten: Der beste Star ist der Anti-Star. Am meisten Beachtung findet der, der sich verweigert oder zumindest rar macht. Die suggestivste PR-Strategie ist die, die sich permanent selbst dementiert. Aber vermutlich meint es Thom Yorke genauso bitterernst wie Kurt Cobain: Er will den Erfolg, aber nicht seinen Preis. Er will für die Kids all over the world und ein paar versprengte bohemienistische Intellektuelle der Held ihrer Wünsche sein – und scheut dann doch davor zurück: keine Macht für niemand; dafür Subversion, ewige Revolte, eine „Suche“, die sich nie zufrieden gibt und ein Festhalten an Idealen, von deren Unmöglichkeit man sich längst überzeugen konnte. Wie Nirvana nach „Nevermind“, versuchte auch Radiohead nach dem 97er-Mega-Seller „OK Computer“ einen Erfolg zu unterlaufen, der ihnen selbst unheimlich war, weil er Kommerz und Kult zu verbinden schien. Die, die nur Teil einer Jugendbewegung sein wollten, waren plötzlich die Mitte der Welt, Cash-Kühe für die Industrie und role-models für alle, die das eigene Leben gern delegieren und als pure „substitutes“ ihrer Heroen konsumieren. Aber die Wurzellosigkeit eines globalisierten Erfolgs erzeugt einen regressiven Impuls: Cobain wollte zurück „in utero“, Thom Yorke zumindest zur Peripherie, wo er herkam und wo alles Neue sich ereignet.Kid A“ war das Projekt einer absichtsvollen Verkleinerung und Verjüngung – das grandios fehlschlug: die Millenniums-CD von Radiohead, als avantgardistische Verweigerung gedacht oder zumindest inszeniert, wurde zur Nummer eins selbst im Traumfabrik-Land USA. Die Botschaft: Authentizität zahlt sich aus; Experimente werden belohnt. Selbst im Pop-Universum gibt es Erfolg nicht via Reißbrett, sondern nur in immer neuen Aufbruchsbewgungen von den Rändern her. „Amnesiac“ (bei EMI), der rasche Nachfolger von „Kid A“ (und von Spöttern deshalb schon „Kid B“ genannt), ist Produkt derselben, sich über 18 Monate hin erstreckenden Sessions – und doch etwas Eigenes. Was „Amnesiac“ mit „Kid A“ verbindet ist der endgültige Abschied von Brit-Pop, das vorläufige Ende der Dominanz der Gitarren, auch in ihrer schrägen Neo-Western-Variante à la Ennio Morricone (der noch der geheime Pate hinter „OK Computer“ war), und eine Offenheit für Jazz und Electronica, die sich freilich in Genre-Kategorien nicht mehr näher bestimmen lässt. Charles Mingus, der jetzt als Vor-Bild bei Thom Yorke auftaucht, war vor zwei Jahrzehnten schon der Mentor einer Joni-Mitchell-CD. Aber das konnte man auch hören: die zerbrechliche Princess of Folk mutierte zu einer leicht zickigen Post-Jazz-Queen. Mingus wurde zur Matrix einer (gescheiterten) Reformulierung des Autoren-Songs.Nichts davon bei Thom Yorke: bei ihm geht der Einfluss von Mingus in einem raffinierten Sampling unter, das alles andere als maschinell, ja auch nur zitierend ist. Mingus wird zum Motor für eine Musik, von der er noch nichts ahnte. Radiohead ist anno 2001 vollkommen synthetisch und artifiziell – und bleibt doch Sprache der Subjektivität: Thom Yorke schafft es wie kein anderer, Sound und Song zu verbinden; bei ihm dient selbst noch das aufregendste Ambiente der puren Expression; wobei das Wunder der ästhetischen Verarbeitung nicht zuletzt darin besteht, dass im „Werk“ das schlecht gelaunte und zugleich naive der Yorkeschen Statements verschwunden ist.
Das geschundene Gutmenschentum, das Engagement für die immer schon verlorene Sache, das Gemüt und Gesicht gleichermaßen zerrüttet, teilt Michael Stipe mit Thom Yorke: beide entscheiden sich, im Fall der Fälle, nicht für Dionysos, sondern für den Gekreuzigten, beide haben auch, „von den Rändern her“, den Weg in die Massenseele gefunden, indem sie ihr demonstrativ beleidigt sind. Permanente low-fi-Paranoia scheint befeuernd und besänftigend zugleich zu wirken. Anders aber als Radiohead ist der Weg von R.E.M. immer überschaubar gewesen. Selbst „Reveal“ (bei WEA), von den Medien als Meisterwerk gefeiert, hat noch den Charme der Mitt-80er-College-Radio-Anfänge, obwohl das Trio aus Athens längst Stadien füllt und Stipes unverwechselbare Stimme nicht mehr nur auf einem gleichbleibend-treibenden Gitarren-„Bett“ ruht, sondern von einer Fülle von Geräusch-Gimmicks umgeben ist, die nur dekodieren muss, wer Lust dazu hat. Für alle anderen fügen sie sich in den gewohnten R.E.M.-Sound – und haben bloß die Funktion, dass aus dem Vertrauten, das man will, nicht der Überdruss wird, den man scheut.
Dass man Pop-Star werden kann, ohne seine „Räudigkeit“ zu verlieren, verkörpert keiner so drastisch wie Iggy Pop. Schon Ende der 60er, Anfang der 70er hat er mit dem „raw power“-Sound seiner Stooges die Blaupause für Punk geliefert. Seine Verweigerung war aber selbst dort, wo sie pure Energie zu sein schien, immer auch „intelligent“ und vertrackt. Der Erfolg hat ihn nicht gezähmt. Dem „forever young“ konnte er gelegentlich eine gespenstische Variante abgewinnen: Iggy als Mumien-Kid, das schon alles hinter sich hat, dessen Souveränität gerade darin besteht, dass es Erfahrungen nicht vermieden hat, sondern sich „zeichnen“ ließ. „American Caesar“ war sicher eines der Alben der 90er-Jahre: chartstaugliche Songs, deren Grund ein „narbiges“ Crooner-Pathos und eine existenzielle Gebrochenheit ist, gegen die ein Nick Cave wie ein parfümierter Poser erscheint. „Beat Em Up“ (bei Virgin) ist dem gegenüber Rückkehr zu den rohesten Anfängen, aber ohne alle Roots-Sentimentalität: Iggy Pop gelingt es, anno 2001 die Vorgeschichte von Punk und schmutzigstem Metal so zu zelebrieren, dass einem keine Sekunde lang der Gedanke an Retro-Chic kommt. Und der Rebell in Iggy sagt in seinem Ginsburg-nahen „Howl“ der Musikindustrie, von der er lebt und die von ihm lebt, die Meinung: „Die Musik von morgen ist das, was ich heute fühle.“ Für die „owner of the future“ in den Vorstandsetagen hat er nach wie vor nur aggressiven Spott übrig.