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Anmerkungen zur Bremer jazzahead! vom 28. April bis 1. Mai
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Man könnte es auch lassen. Zwei Jahre pandemische Beschränkungen haben schließlich gezeigt, wie dringend die Welt auf den Jazz gewartet hat. Sie haben aber auch klar gemacht, dass Kultur nach der Befriedigung existentieller Grundbedürfnisse die eigentliche Basis menschlichen Zusammenlebens darstellt.

Wer sich nicht trifft, verkümmert, wer sich nicht äußert, wird wunderlich. Wem die Gelegenheit verwehrt wird, kreativ zu werden, der sucht sich Wege an den Schranken von Sanktionen vorbei. Wer also jazzen will, macht das unter freiem Himmel, auf Balkonen oder, wenn es nicht anders geht, im eigenen Wohnzimmer mit Kamera in die Welt. Dabei ist klar geworden, dass die Abhängigkeiten anders strukturiert sind, als über Jahrzehnte hinweg angenommen. Denn nicht das Publikum braucht den Jazz. Es hat auch Netflix und Spotify, Games und Social Media, den Kühlschrank und den Lieferservice. Sondern der Jazz braucht das Publikum, nicht nur, weil es Euros für Konzerte, Tonträger, Streams ausgibt. Es ist vielmehr der Spiegel der Kreativität, Motor, Ansporn, Korrektiv, letztlich sogar der Anlass der Musik.

Die jazzahead! hat im Jahr 2022 daher eine besondere Aufgabe. Denn es geht im Kern nicht um die Wiederherstellung des Gewohnten. Natürlich spielen weiterhin Bands, die Konkurrenz hat sich gefühlt sogar vervielfacht, denn alle hatten Zeit zu komponieren, aufzunehmen, zu remixen und remas­tern, Archive zu durchforsten. Verteilungskanäle haben sich professionalisiert, neue Medien und Formate von TikTok und Twitch bis Fortnite sind hinzugekommenen. Der Trend geht zur Monopolisierung, zur Plattformwirtschaft, am besten global oder groß­territorial organisiert, mit regionalen Ablegern. Die jazzahead! geht darauf ein, stellt sich nach einem gestrichenen und einem virtuellen Jahr als Hybrid-Veranstaltung vor, live vor Ort in Bremen mit echten Künstler*innen, zugleich umfassend gestreamt als World Wide Event.

Alte Formate wie die Showcase-Konzerte werden fortgesetzt, das German Jazz Meeting und das European Jazz Meeting als heimische und nachbarschaftliche Leistungsschau, die Overseas Night und die Canadian Night als internationales Pendant. Es gibt wieder Panels, eine Clubnacht vor allem für die Stadt, das „Together again“ als Messe und physischen Treffpunkt für Künstler*innen, Veranstalter*innen, Agent*innen, Journalist*innen. Der im vergangenen Jahr neu ausgelobte Deutsche Jazzpreis wurde für seine diesjährige Runde nach Bremen geholt, die Tendenz zur Zentralisierung also auch hier. Soweit hat die jazzahead! ihre Hausaufgaben gemacht. Fragen werden trotzdem gestellt werden müssen. Die Frankfurter Musikmesse beispielsweise hat 2022 die Segel gestrichen, zu viel Online-Handel, hieß es, zu wenig Vielfalt am Markt. Der Jazz als Nische mag da im Vorteil sein, kleines Business, buntes Angebot. Trotzdem kann es nur helfen, wenn eine Messe wie die jazzahead! jenseits der Kunst als Kunst dem Publikum Gründe präsentiert, warum es ihn braucht.

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