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Foto: Silke Schwäppe
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Abraham versammelt die Weltreligionen

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Die Kantoreien der Kreuzkirche Bonn und der Johanneskirche Düsseldorf mit Daniel Schnyders Oper in Palästina
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„Wenn das klappt, dann hole ich euch nach Palästina“, so war die begeisterte Reaktion von Ulrich Nitschke, als er von den Plänen der Kreuzkirche Bonn hörte, im Rahmen des düsseldorf festivals und gemeinsam mit der Kantorei der Johanneskirche Düsseldorf die neue Oper von Daniel Schnyder aufzuführen. Das Thema: die Lebensgeschichte Abrahams, des Stammvaters der drei großen monotheistischen Weltreligionen. Der Schweizer Komponist Schnyder hat die menschliche Dreiecks-Geschichte um Abraham, seine Frau Sara und die Geliebte Hagar als symbolisch für die Entstehung der drei Religionen umgesetzt. Multikulturell ist dabei die Musik, die Orient und Okzident, Jazz, Klassik und Weltmusik verbindet. Im November 2014 fand die Uraufführung der szenischen Umsetzung in Düsseldorf statt (siehe www.nmz.de), zwei gefeierte Aufführungen in Bonn folgten.

Ulrich Nitschke, dessen Frau selber in der Kantorei der Kreuzkirche singt, war die letzten vier Jahre als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Jerusalem tätig. Angesichts der dort herrschenden Situation war er sofort Feuer und Flamme bei der Idee, mit zwei Aufführungen in Jerusalem und Bethlehem nicht nur im weit entfernten Deutschland, sondern auch am Ort der Konflikte ein Zeichen für Toleranz und das friedliche Miteinander der Religionen zu setzen. Bei der Organisation und Umsetzung vor Ort stieß er sowohl auf Zurückhaltung als auch auf große Begeisterung und Engagement. „Es gab viele, die ähnlich begeistert von der Idee waren wie wir, und wir haben unheimlich große Unterstützung vor Ort erfahren. Nicht alle unsere Musiker sind mitgereist und die fehlenden wurden durch ausgesprochen engagierte Studierende des Edward Saïd Konservatoriums ersetzt. Die Agentur Sky Advertising hat die Werbung für uns pro bono gemacht und auch George Bassous, der Besitzer des Bethlehem Convention Palace, unserer zweiten Spielstätte, ist uns sehr entgegengekommen“, berichtet Nitschke.

Sicherheitstechnisch war die Reise von seiner Seite hochprofessionell vorbereitet: Bei zwei Treffen mit den beteiligten Musikern hatte er auf Sicherheitsmaßnahmen hingewiesen, auch im Land hatte er seine Kanäle genutzt, um sowohl die israelische als auch die palästinensische Seite wissen zu lassen, dass er sich mit circa 150 Deutschen Mitte Februar in der Westbank aufhält. „Wir haben uns natürlich in erster Linie in ganz bestimmten, sicheren Gebieten aufgehalten, aber man hat schon gemerkt, dass es im Land ganz gewaltig brodelt“, berichtet Karin Freist-Wissing, Kirchenmusikdirektorin der Kreuzkirche in Bonn und musikalische Leiterin. Pfarrer Gerhard Schäfer, der die Mitwirkenden der Kreuzkirche begleitet hatte, konnte da auch noch konkretere Situationen berichten: „Ich war am frühen Morgen an der Klagemauer und machte mich im Anschluss auf den Weg, den Felsendom zu besichtigen. Ich hatte dabei nicht bedacht, dass die Kippa am Rucksack baumelte und wurde daher zunächst aufgehalten.“

Für die Gruppe hatte Nitschke ein besonderes Rahmenprogramm auf die Beine gestellt, wozu natürlich die Besichtigung der beiden Städte gehörte, ebenso wie eine Tour nach Jericho und Qumran. Zwei Ereignisse werden wohl allen in bleibender Erinnerung bleiben: Am ersten Abend waren drei Vertreter der drei Religionen zum Empfang und gemeinsamen Gespräch eingeladen. Eine ganz persönliche Annäherung an Abraham: „Wir haben es nur über die Oper ‚Abraham‘ geschafft, Vertreter der drei großen Weltreligionen an einen Tisch zu bekommen.“ Nach dieser gelungenen Einstimmung war auch der Besuch bei „Tent of Nations“ sehr eindringlich. Südwestlich von Bethlehem bewirtschaftet der Friedensaktivist Daoud Nassar einen Weinberg und lädt zu Umwelt- und Friedensarbeit ein. Der Weinberg, der seit langem in Familienbesitz ist, ist immer wieder umkämpft – die Vernichtung von Teilen der Farm gehört leider fast zum Alltag. „Wir weigern uns Feinde zu sein“, steht am Eingang – eine Botschaft, die auch die Musizierenden aus Deutschland mit „Abraham“ nach Palästina bringen wollten. Der Hinweis auf die gemeinsamen Wurzeln der Religionen, die sich immer schon und immer wieder gegenseitig bekämpfen.

Die beiden Aufführungen in Jerusalem und Bethlehem wurden in erster Linie begeistert aufgenommen, und auch die Prominenz ließ sich nicht lange bitten. So war beispielsweise bei der Aufführung der Präsident der Universität in Ost-Jerusalem zu Gast, die Bürgermeisterin von Bethlehem gehörte ebenso zu den Besuchern. Wie fühlt sich eine Aufführung in dieser Atmosphäre an, will ich von KMD Karin Freist-Wissing wissen. „Ich denke, es war für uns alle eine sehr bewegende Erfahrung und natürlich auch etwas ganz anderes als die Aufführungen in Deutschland im November. Man hat gespürt, dass die Dinge, die für uns hier bloß ein ästhetisches Erlebnis sind, für die Menschen dort existenziell wichtig sind. Besonders schön waren für uns natürlich die sehr vielen positiven Rückmeldungen nach den beiden Aufführungen. Es fühlte sich ein wenig nach Aufbruchsstimmung an.“

Auch Ulrich Nitschke bekam nach der Rückkehr nach Deutschland noch viele positive Rückmeldungen. „Ich habe auch bei den palästinensischen Mitarbeitern, die uns bei der Umsetzung geholfen haben, gemerkt, wie wichtig es für sie ist, dass solche Impulse auch von außen kommen – und wenn es eigentlich nur ganz kleine sind wie die Aufführung dieser Oper.“ Vera Baboun, seit 2012 Bürgermeisterin von Bethlehem, sprach nach der Aufführung davon, dass dies ihre „Vision vom Frieden“ sei. Für Ulrich Nitschke, Karin Freist-Wissing und die Musiker der Bonner Kreuzkirche ist das Thema nicht erledigt: Die Planungen für ein Benefizkonzert für „Tent of Nations“ laufen bereits – und auch Daniel Schnyder will sich hierfür musikalisch mit „Ismael“ auseinandersetzen.

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