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„Monty Python’s Spamalot“ am Theater Altenburg-Gera. Foto: Ronny Ristok
„Monty Python’s Spamalot“ am Theater Altenburg-Gera. Foto: Ronny Ristok
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Ächtes Musical! - „Monty Python’s Spamalot“ am Theater Altenburg-Gera

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Gleich zwei Neuproduktionen von „Monty Pythons's Spamalot“ nach dem Film „Die Ritter der Kokusnuss“ gibt es derzeit: im Theater Gera und im Theater Hof (ab 25.10.). Auf die skeptische Frage, ob derartiges tatsächlich eine komplette Position an subventionierten Subventionstheatern rechtfertigt, überwiegt letztlich die Bejahung. Vor allem, wenn der Brachial-Humor des Opus zu einer solchen slapstickhaften Genredefinition und Demontage der Kunstform Musical genutzt wird wie in dieser Fundus- und Klischee-Plünderei am Theater Gera. 100 Minuten Quietschen, Gröhlen, Feixen ohne Rücksicht auf Verluste.

Besondere Stücke bedürfen besonderer Betrachtung: Nach 1800 gestaltete Goethe, schon damals gesamtdeutscher und Weimarer Dichterfürst, „Faust 1 und 2“ als Theater auf dem Theater und als Mehrsparten-Revue über den „Sinn des Lebens“. 1916 folgte Richard Strauss' „Ariadne auf Naxos“ als ästhetisierender und leicht nebulöser Crashkurs über den „Sinn der Oper“. Als Suche nach dem „Sinn des Musicals“ gibt es seit einigen Jahren „Monty Pythons's Spamalot“, die lieblich-liebevolle Bühnen-Fledderei nach der britischen Filmcomedy-Apokalypse „Die Ritter der Kokusnuss“ von 1975.

In der Geraer Premiere mit Pfeifen, befeuerndem Jubel und ekstatischen Zwischenrufen: „Glückshormone!“ quietscht eine Stimme nach der Ballade der Fee aus dem See, in der dieses Funnical die Seichtheiten und Schablonen einer ganzen Gattung entlarvt. Solche Zwischenrufe galten also nicht dem vom Screen kryptische Aufträge posaunenden Generalintendanten Kay Kuntze, der für den Theaterpreis „Der Faust 2019“ in der Kategorie „Regie Musiktheater“ für seine Geraer Inszenierung von Weinbergs „Die Passagierin“ nominiert wurde, sondern in erster Linie dem sich von seinen besten Vorder- und Hinterseiten zeigenden Ensemble. Ein bisschen sogar dem Regieteam, dessen Job in „Spamalot“ über weite Partien vor allem darin besteht, einen dreidimensionalen Scan der bekanntesten Szenen des Films abzuliefern und mit ein paar mechanischen Show-Elementen aufzupäppeln.

Spartenchef Manuel Kressin hatte also seinem Schauspielensemble, willigen Chorsängern (präpariert von Gerald Krammer) und den rasanten Eleven des Thüringer Staatsballetts (virtuos-dümmliche Choreographie: Paul Julius) zu Beginn des Abends die Daumenschrauben für eine straffe Imitation der Gesten und Posen des britischen Komikerensembles Monty Python aufgezwängt. Wahrscheinlich kommt das hehre Opus mit dem mindestens dreideutigen Titel „Spamalot“, bei dem schon der Fischwatschentanz zu Beginn eine Attacke gegen das Schu-bi-duh kommerzieller Schablonen ist, im Theaterzelt Altenburg noch besser zur Geltung. Kristopher Kempf gönnte sich mit einem Madonnen-Fresko an der hinteren Brandmauer wenigstens eine dekorative Entgleisung. Emilia Schmucker stellte bei der Wiederverwertung der Fundus-Stangen von der letzten „Lohengrin“-Inszenierung im Mittelalter-Design und „Broadway-Melodie“ einen nicht unterbietbaren Sparrekord auf (15€ je Teil, heißt es). Günstig aber ist nicht gleichzusetzen mit billig und am Theater Altenburg-Gera gleich gar nicht.

15 Minuten nach Beginn und der im Saal aufdämmernden Erkenntnis, dass es nix wird mit der Aufführung des finnischen Nationalmusicals „Ein Lachs für alle Fälle“, springen einem Großteil der Anwesenden die Dialoge von den Lippen wie dem großartigen Ensemble (genannt als primi inter pares: Michaela Dazian, Sebastian Schlicht, Markus Lingstädt, Mario Radosin). Kein Kunstwerk, nicht einmal „Effi Briest“ oder „Die Blechtrommel“, prägte den Gymnasiasten-Jargon auf deutschsprachigen Pausenhöfen um 1985 wie Monty Python. Und zum Glück hatte man in Gera beim verwunschenen Prinzen Herbert noch immer keine Angst vor Pointen, für die politisch korrekte Entrüstungskomitees Monty Python heute am Pranger der sozialen Netzwerke pudern, federn und rädern würden.

Das feingemachte Premierenpublikum gab sich spätestens mit dem Erklingen der Monty-Python-Hymne „Always Look on the Bright Side of Life“ etwas legerer. Da war die herrlich-dämliche und freche Gralssuche nach dem passgenauen Musicaltempel schon voll in Gange. Fast vergessen ist, dass das hier nach Kräften angeschwärzte Musical-Paradigma „Evita“ seinen Siegeszug durch Mitteleuropa etwa zeitgleich mit den Monty-Python-Kulturprodukten antrat. Heute scheint der göttliche Auftrag an König Artus und seine Begleiter allerdings nicht mehr ganz so aussichtslos wie damals. Die Bedingungen für den moralischen Sieg dieser Gralssuche an einem (in dieser Variante) Mehrsparten-Subventionstheater: Ein erfolgreiches Musical 1. Nicht vom Broadway – 2. Nicht von Andrew Lloyd Webber – 3. Nicht mit Angelika Milster. Nur wer vor zwei Jahren nicht in „Sunset Boulevard“ mit der Milster in einer ausverkauften Vorstellungsserie war, hebe den ersten Stein gegen einen derart perfiden Auftrag.

Programmatisch und korrekt ist es, wenn das Ensemble an einigen Stellen ins Nuscheln kommt: Guinevere klingt wie „Jennifer“ und die Musik für diese Attacke auf die Bauchmuskeln aller Anwesenden verlangte von den Komponisten John du Prez und Eric Idle ganz starke Selbstverleugnung künstlerischer Autonomie. Die kleine Band unter Olav Kröger hatte sich wohl deshalb auf der Bühne ganz hinten postiert und gab die Beats für die Anhäufungen musikalischer Durchschnittlichkeit mit professionellem Schicksalstrotz. Also fast wie in einem echten Musical-Theater, wo das Sounddesign allerdings ganz andere Illusionsflächen ermöglicht. Aber wir sind an einem deutschen Stadttheater mit Bildungsauftrag. Dem wird „Spamalot“ weitaus besser gerecht als „Das Phantom der Oper“.

Wieder am 16.11., 19:30 und 28.12.2019, je 19:30 – weitere Termine 2020, ab 26.04.2020 Theaterzelt Altenburg

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