Natürlich Corona: Da sicherte sich „lange davor“ Münchens Opéra comique die Deutsche Erstaufführung eines Knüllers – und dann war nach der Premiere am 21.Juni 2021 Pandemie-Schluss. Jetzt erstmals im Spielplan vor Publikum - und: Standing Ovations am Schluss, nachdem schon zuvor jede Nummer Szenenapplaus bekam – alles für das „Komische Oratorium“, das der Metier erfahrene Thomas Pigor aus dem Film-Klassiker „Das Leben des Brian“ geformt hat.
„Jeder nur ein Kreuz“ ist als Alltagswitzelei gängig und Monty Python-Fans haben noch etliche andere fabulöse Bosheiten des Film-Drehbuchs parat. Das hat Eric Idle und Komponist John Du Prez animiert, aus dem satirisch-frechen Film 2007 auch ein Bühnen-Musical zu destillieren. Nach dem preisgekrönten Erfolg der Revueoperette „Drei Männer im Schnee“ (vgl. nmz online vom 02.02.2019) verwandelte der seit rund dreißig Jahren durch alle Spielarten des geistreichen Unterhaltungstheaters schreibend-komponierend-singende Thomas Pigor das Musical treffsicher: in ein „Komisches Oratorium“ ganz im Stile einer Händel-Messias-Parodie für Opernsolisten, Chor und Sinfonieorchester.
Regisseurin Nicole Claudia Weber nahm den ironischen Stil ernst: fünf erste Solisten des Staatstheaters in Abendkleid und Frack an Noten-Pulten auf der Vorderbühne; auf dem ansteigenden Podium der Hauptbühne dann der Chor „ganz in Schwarz“ an Pulten; dahinter das klassisch- bis Big-Band-angelehnte Orchester – und über allem Licht-Batterien, die erst kirchenfensterartig, dann aber auch show-bunt das Ganze bestrahlen.
Die um das Jahr Null grassierende Messias-Hysterie aufgreifend, fährt überraschend eine tüttelig schräge britische Lady in der Bühnenmitte hoch und erläutert: die Welt war aus Chaos und vor Tier-Monstern nur durch das „Buch Brian“ zu retten; daraus wird vom „Evangelisten“ Erwin Windegger die Herz-Schmerz-Vorgeschichte von der jüdischen Kürbisverkäuferin Mandy und dem römischen Zenturio vorgetragen: eine Liebesnacht, Mandy schwanger, Zenturio auf und davon, im Nachbarstall zu Maria und Joseph kommt Brian zur Welt – und dann folgt die „klassisch“ gewordene Brian-Handlung…
Doch die seriöse Form des Oratoriums wird schon durch ein quer über die Bühne schreitendes „Monster“ verfremdet – und gipfelt im ersten Lachsturm, als die Chor-Hirten ihre Schafe „scharf“ finden, kleine Woll-Perücken aufsetzen – und mit den schwarzen Schafsohren rhythmisch wackeln können. Parallel zu den mal kess schmissigen, mal groß opernhaft ariosen, mal frech verfremdeten Musiknummern reihen sich die Lacher: der wuchtige „O Jemine“-Chor beginnt fast zu swingen; „Volksfront“-Kämpfer Stan will das Geschlecht wechseln – samt Kastagnetten-Geklapper; Brians und Judiths erste Liebesnacht wird zu einer „Ha-Oh-Ha-Ha-Oh-Oh“-Staccato-Koloratur-Nummer – an deren Ende sich Judith eine Zigarette anzündet, Brian machohaft nachfragt, wie er war - und von Judith hört, dass er Takt 17 zu hoch sang …, prompt ist beider „Träum den Traum“ eine ariose Rumba und in einer x-ten Verkleidung (nach Scottish-Reel-Einlage, fränkischem Barbaren, Bayrischer Frömmigkeit, Pontius Pilatus-Sprachfehlerei) tanzt Peter Neustifter als Nachtclub-Lady über die Szene. Da gab es im Publikum schon längst kein Halten mehr: Mit-Klatschen und rhythmisches Arme-Schwenken – denn nicht nur Windeggers gespreizt-schräge Rollenwechsel zu einem Stan und „Mr. Cheeky“, auch Julia Sturzlbaums Frauenrollen bis hin zu Judith, Anna-Katharina Tonauers Mandy und andere Frauen, Maximilian Mayers Tenor-Strahlen als Brian und Alexander Grassauers bass-wuchtiger Zenturio, „Schwanzus Longus… und andere“ bestätigten: es müssen erste Stimmen singen und ein Genre-Kenner wie Howard Arman dirigieren. Da musste natürlich „Always look on the bright Side of Life“ als Zugabe wiederholt werden – vom stehenden Publikum mitgesungen – ja, grundsätzlich gegen alle Machtapparate, allen Glaubensfanatismus und gerade in diesen fürchterlichen Tagen hilft dieser schwarze britische Humor!
- Und wer nicht anreisen kann: die damalige Stream-Premiere wurde mitgeschnitten und ist auf CD erschienen: conanima CA20429.
- Weitere Aufführungen am 4. und 30.April.