Im Idealfall trifft ein Verdi seinen Boito – und beide genial Begabten vertrauen einander, hören künstlerisch aufeinander, nehmen Ratschläge und Verbesserungsvorschläge an, gestalten miteinander – und wir können am Ende Meisterwerke erleben, Werke, die sich an die großen Themen ihrer Zeit wagen.
Allzu Vielerlei von Allerlei – Moritz Eggerts „Die letzte Verschwörung“ in Augsburg
In unserer Zeit: die Flut aller Probleme. Inmitten all unserer Reizüberflutung haben sich der gerne inszenierende Intendant André Bücker und sein inzwischen auf Jahre in den Martini-Park ausgesiedeltes Staatstheater Augsburg getraut, diese Problematik auch in der technisch beschränkten Ersatzspielstätte zu gestalten. Also ein Spielsteg über das große Orchester bis nach vorne an die erste Sitzreihe; links und rechts große Bildschirme und mit Robi Voigt ein Video-Mann, der „in die Vollen“ gehen durfte, also Videozuspiel eines Moderators, der als „System“ vorgibt, wir könnten via eines QR-Codes Spielfassungen auswählen – natürlich Fake – und dann über beide Akte eine Flut aus bunter Designer-Grafik, verwaschenen Daten-Bildschirmen, im Text mal genannten Fotos und schließlich bedrohliche Echsen-Aliens … bunte Dauerbeflutung ohne bannende Wirkung.
Der Handlungseinstieg um „Immer wieder Mittwochs“ könnte interessieren: eine jener Talkshows, die den Äther vermüllen mit dem an sich Vernunft-orientierten, aber halt Quoten-fixierten Moderator Quandt – doch nach Talkshow-Schwachsinn folgen: Promi-Leben, Geheimdienst-Geschwurbel, eine Flut an Verschwörungsmythen, von der „Erde als Scheibe“ bis hin zu den Illuminaten aus dem 18. Jahrhundert, Techno-Monopole um „6G“, Ibiza-Anspielung, Ehe–Kinder–Probleme, neue Liebe zur geheimnisvollen Lara, alberne nächtliche Park-Chöre, Cum-Ex-Anspielung, Scheitern der Idylle, Polit-Korruption, Quandt und Lara als Widerständler mit Schnellfeuergewehren im Kanzleramt, dazwischen immer wieder der „System“-Moderator mit hüftlangem Zopf ohne Witz oder Gefährlichkeit … und auch noch alle anderen Themen unsere Welt von der „Gates“-Verschwörung hin zu Kindermorden wegen Adrenochrom und der von einem Elvis-Imitat per Gitarren-Penis bewirkten Geburt eines neuen Hybrid-Menschen …
Doch der Themen-Tsunami verstrahlte weder Abgrund oder gar Horror und leider auch nur mal müden Witz: wenn Augsburgs unwürdiger Theaterbau-Skandal mit einem unverantwortlich selbstherrlichen Bauamtsleiter, unverantwortlicher Architektenkündigung und unverantwortlichen Kostensteigerungen auf ein Nebensatzerl herabgewürdigt oder dann gar mal auf „blöder“ halt „Söder“ gereimt wird … Erkenntnis nach zwei Akten: Moritz Eggert wurde als sein eigener Librettist vom „horror vacui“ überwältigt: ja nix weglassen, ja zu allem Stellung beziehen. Da er gerne als Polit-Kolumnist schreibt: fast jedes der angerissenen Themen wäre es wert, ernsthaft, bissig, entlarvend, spöttisch schonungslos, gnadenlos enthüllend behandelt zu werden – doch zur Polit-Operette fehlte alle intellektuell spritzige Leichtigkeit und zur Oper die dramatisch erschreckende Fallhöhe.
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