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Auf allen Fluren und Treppen

Untertitel
Helmi Vents Raum-Theater in Frankfurt
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Ein Mann versucht verzweifelt, eine Treppe zu ersteigen: Die Füße setzt er auf die falsche obere Stufe, mit den Armen zieht er mühsam den waagerecht liegenden Körper nach. Der Aufstieg fällt schwer. Die Szene könnte aus einem Stummfilm stammen. Wie soll man wissen, wie eine Treppe zu benutzen ist, wenn man noch nie eine gesehen hat. Schließlich aber, nach vielerlei Mühsal und einem Absturz à la Ikarus erreicht der Mann doch den höchsten Treppenabschnitt im verwinkelten Eingangsfoyer der Frankfurter Musikhochschule. Dort hegt ein Gärtner seine Pflanzen und funktioniert eine Gießkanne zum Blasinstrument um.

Ein Mann versucht verzweifelt, eine Treppe zu ersteigen: Die Füße setzt er auf die falsche obere Stufe, mit den Armen zieht er mühsam den waagerecht liegenden Körper nach. Der Aufstieg fällt schwer. Die Szene könnte aus einem Stummfilm stammen. Wie soll man wissen, wie eine Treppe zu benutzen ist, wenn man noch nie eine gesehen hat. Schließlich aber, nach vielerlei Mühsal und einem Absturz à la Ikarus erreicht der Mann doch den höchsten Treppenabschnitt im verwinkelten Eingangsfoyer der Frankfurter Musikhochschule. Dort hegt ein Gärtner seine Pflanzen und funktioniert eine Gießkanne zum Blasinstrument um.Auf weiter Flur“ nennt die Salzburger Professorin Helmi Vent ihr Stück. Das Raum-Klang-Körper-Theater hat sie mit Studenten verschiedener Disziplinen – Tänzern, Sängern, Instrumentalisten und angehenden Musikpädagogen – erarbeitet. Es ist speziell für das Foyer der Musikhochschule mit seinen Verschachtelungen, Treppen, Durchblicken, Öffnungen, Wänden, Fenstern und Wegen, die oben ins Unsichtbare führen, angelegt. Auf der Empore im Erdgeschoss schlängelt sich eine Tänzerin im Trikot unter der unten offenen Brüstung unablässig hin und her, schlingt sich um die Pfeiler und stößt gelegentlich mit dem Kletter-Mann zusammen, der vibrierende, röhrende Töne ausstößt, aber mit der Situation nichts anzufangen weiß. Ist die Schlange aus der Schöpfungsgeschichte entflohen? Oder symbolisiert das kriechende Wesen die Situation der Frau schlechthin?

Für inhaltliche Ausdeutungen bietet Helmi Vents „Flur“-Stück manche Anregung. Das aber ist nicht das Entscheidende der Produktion, die gleichsam in einer prozesshaften Gemeinschaftsleistung entstand. Der Raum diente als Vorgabe, im Raum entwickelten die Akteure quasi in freier Improvisation das „Spiel“.

Musik, Klänge, Geräusche entstanden oft aus den Spiel-Abläufen, wenn zum Beispiel der Klettermann die Plattenverschalungen der Wände abklopfte oder mehrfach mit dem Kopf gegen eine Wand anrannte, worauf ihn der Posaunist beruhigend mit sanften Tönen anblies. Das instrumentale Theater kehrt in solchen Zusammenhängen gern immer wieder. Helmi Vents „Auf weiter Flur“ will kein abgeschlossenes Kunstwerk sein, sondern eine Etüde zur Einübung in die verschiedensten Kunstgenres, die sich unter dem Oberbegriff „Musik-Theater“ subsumieren lassen.

Es ist zugleich eine Aufforderung an die Akteure, Fantasie zu entwickeln, diese im Spiel umzusetzen, sich der eigenen Figur im Raum zu vergewissern. Manches gerät dabei sehr gelöst, bildhaft, plastisch. Anderes verharrt noch im Stadium des Tastens, auch der Verlegenheit. Ein gewisser additiver Gestus überwiegt. Vielleicht müsste man doch eine präzisere dramaturgische Grundlinie vorgeben, an der sich die freien Improvisationen orientieren könnten.

Im Prinzip jedoch fördern solche Unternehmungen wie „Auf weiter Flur“ die Kreativität junger Künstler. Sie gewinnen Gelöstheit sowie die Einsicht, wie schwierig die Gestaltung improvisatorischer Freiheiten in der Bühnenwirklichkeit sein kann.

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