Ein wenig schade ist es schon. Wenn hierzulande die Macher der Filmmusik einen ähnlich hohen Stellenwert genießen würden, wie man es kürzlich bei der Verleihung des Golden Globe sehen konnte, dann stünde ich jetzt im schicken Armani-Anzug auf dem roten Teppich und würde mir von Hans Zimmer dessen geschmacksfreie Piratenschuhe zeigen lassen und Begeisterung heucheln. Aber in Deutschland liegen die Dinge nun einmal anders.
Das „Oscar-Flair“ im Filmforum des Kölner Museums Ludwig ließ beim dreitägigen internationalen Medienmusik-Kongress Soundtrack Cologne 3.0 dann doch etwas zu wünschen übrig. Keine kreischenden Fans, keine Paparazzi und den roten Teppich hatte man sich auch gespart. In diesem Land hat Filmmusik ein sehr fragwürdiges Image. Nämlich gar keines. Filmkomponisten sind in der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt und viele beklagen den Mangel an Respekt, der ihnen von potenziellen Arbeitgebern wie TV-Sendern und Kino-Produzenten entgegengebracht wird. Diese Zustände möchten die Verantwortlichen der Soundtrack Cologne ändern. In Zusammenarbeit mit Komponistenverbänden wie Composer’s Club, mediamusic:nrw und dem europäischen Dachverband für Filmkomponisten FFACE, dessen Präsident Bernard Grimaldi persönlich aus Frankreich anreiste. Nicht kommen konnte allerdings der angekündigte Stargast Peer Raben, dessen angeschlagene Gesundheit einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machte (Peer Raben ist am 20. Januar im Alter von 66 Jahren im niederbayerischen Mitterfels gestorben, Anm. d. Red.). Da Raben aber mittlerweile von einem Mitarbeiterteam unterstützt wird, konnte dieses einspringen und das Lebenswerk des Komponisten, der lange mit Fassbender gearbeitet hat, vorstellen und kommentieren. Im Werkstattgespräch mit Regisseur Detlef Bothe bekam das Publikum dann auch Auszüge aus dem neuesten Werk Rabens, dem ZDF-Fernsehfilm „Neben der Spur“, zu sehen.
Auch die Hochschulen hatten in Köln ein Forum. Beim Europäischen Hochschultreffen im Domforum konnten die Institute ihre Filmmusik- und Sounddesignstudiengänge vorstellen. Für Andreas Fuchs von der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg eine willkommene PR-Möglichkeit: „Für uns ist das optimal. Hier können wir ohne viel Aufwand kommunizieren, was wir machen, und darstellen, wo unsere Stärken liegen. Es ist auch wichtig, dass man als Hochschule den Kontakt zu aktuellen Entwicklungen an anderen Akademien nicht verliert. Dafür war das Hochschultreffen sehr wichtig.“
Das Veranstaltungsprogramm war eine gelungene Mischung aus Lehrveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Businessveranstaltungen, wie der „Soundtrack_Biz“, bei der Medienleute und Komponisten ihre Arbeit vorstellen konnten. In den Podiumsdiskussionen zu Themen wie „Hollywood versus Europe“ und „Scoring the Future“ offenbarte sich dann eine Schwäche mancher Filmkomponisten, die sich kaum zu künstlerischen Zukunftsvisionen äußerten und sich stattdessen in ein Lamento über negative Arbeitsbedingungen und magere Budgets hineinsteigerten. Der neue Sound nach dem hier geforscht wird und der europäische Künstler von ihren amerikanischen Kollegen absetzen soll, kann so nicht gefunden werden.
Das wurde auch deutlich beim Höhepunkt der dreitägigen Veranstaltung, der Verleihung des Nachwuchspreises „New Sound in European Film“, an dem sich Studenten von Filmschulen aus ganz Europa beteiligt hatten. Aufgabe war die Vertonung eines Kurzfilms der Kölner Kunsthochschule für Medien. Filmkomponisten und Sounddesigner konnten als Team antreten und wurden dann getrennt nach ihrem jeweiligen Aufgabenfeld bewertet. Jurymitglied Martin Todsharow, der erst kürzlich positiv mit seinem Soundtrack zu „Elementarteilchen“ aufgefallen war, zeigte sich überrascht von der „Linientreue“ der jungen Künstler: „Das Niveau der Beiträge war in der Regel sehr hoch. Ich hatte aber darauf gehofft, dass die Studenten nach neuen Vertonungskonzepten suchen würden. Das war leider nicht der Fall. Fast alle haben sich sehr stark an traditioneller Orchester- und Kammermusik orientiert.“
Vielleicht hatten die potenziellen Preisträger bereits auf den Preisgewinn geschielt, der am Ende wartete: eine Aufnahmesession mit dem Rundfunkorchester des WDR. Diesen ersten Preis bekam dann der Holländer Paul van Vulpen von der Utrecht School of Arts in einer launigen Zeremonie vom ehemaligen MTV-Moderator Steve Blame überreicht, dessen englischer Humor seine Schwierigkeiten beim Verlesen der vielen deutschen und holländischen Namen mehr als wettmachte. Auf der anschließenden Party hatten die Gäste Gelegenheit, mit Häppchen den Hungerast abzuwenden und mit den Kollegen zu plaudern. Diese Art von Kontaktbörse ist auch ein zukünftiges Ziel der Veranstalter um Michael P. Aust: „Wir wollen beim nächsten Mal diese Plätze für das Networking ausbauen und mehr Zeit zwischen den Veranstaltungen schaffen. Die Soundtrack Cologne soll keine reine Lehrveranstaltung sein, sondern ein Ort, an dem sich Leute aus verschiedenen Bereichen der Branche treffen und in Kontakt kommen. Ein nächstes Ziel ist dann, mehr Produzenten und Regisseure als Gäste zu gewinnen, insbesondere für Veranstaltungen wie ,Soundtrack_Biz‘.“
Auch wenn der interdisziplinäre Dialog auf der Soundtrack Cologne noch ausbaufähig ist, die Stimmung zwischen den Komponistenkollegen war blendend und wenn Produzenten wirklich so wenig Verständnis für Filmkomponisten aufbringen, wie vielfach beklagt wird, dann war zumindest diese Party ohne sie entspannter.