Es gibt so viel Literatur über den schweren Weg des Erwachsenwerdens. Oft ist sie verbunden mit den Problemen der Kinder, ihr „Ich“ überhaupt zu finden. Astrid Lindgren fällt mir da ein, aber auch Richard Bach mit seiner unsterblichen Möwe Jonathan, die aus der Flugkunst mehr machen will als tägliche Futtersuche. Aber nicht nur diese Erzählungen brauchen wir, wir brauchen auch Theaterstücke für Kinder, die von sich selbst erzählen. Und mit denen man lernt, Theater zu schauen, zu verstehen und sich zu amüsieren. Immer mehr große Orchester und Staats- und Privattheater machen sich das zur wichtigen Aufgabe. Diese Produktionen stehen in einer Konkurrenz mit den verheerenden Internetangeboten jeder Art. Und immer mehr KünstlerInnen erfahren, wie schwer das einerseits ist, wie einfach aber auch, wenn man feststellt, wie groß die Sehnsucht von Kindern nach Computer- und Handyalternativen ist.

Robyn Schulkowskis „Das Kind der „Seehundfrau“ an der Staatsoper Hannover. Foto: © Clemens Heidrich
Auf der Suche nach sich selbst – Robyn Schulkowskis „Das Kind der „Seehundfrau“ an der Staatsoper Hannover
Jetzt war an der Staatsoper Hannover „Das Kind der Seehundfrau“ der in Berlin lebenden amerikanischen Schlagzeugerin und Komponistin Robyn Schulkowski zu erleben, die mit dem Text von Sophie Kassies eine uralte Sage zur Grundlage ihrer 2006 uraufgeführten Story macht: die Geschichte des weiblichen Wassergeistes Undine, der wir die wunderbare Oper „Rusalka“ von Antonín DvoĆák, die Erzählung „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann und vieles mehr verdanken. (Übrigens: auch „Rusalka“ steht in einer hochemotionalen Inszenierung von Tatjana Gürbaca wieder im Spiellan). Schulkowskis Oper für Kinder ab acht Jahren heißt „Das Kind der Seehundfrau“ und es geht in diesem Stück weniger um die Liebe des einsamen Fischers zu der Seehundfrau, die ihr Fell für sieben Jahre ablegt, als um die Suche des gemeinsamen Sohnes Orud nach seiner Identität, seinem Erwachsenwerden ohne die Eltern.
Dazu agieren in kurzen präzise charaktervollen Abschnitten Schlagzeug, das Philipp Kohke als Eisbär spielt, eine Bassklarinette, die der Papageientaucher Jan Lukas Willms beherrscht, Cembalo und Harmonium, gespielt vom Polarfuchs Max Tilbe, der auch für die musikalische Leitung verantwortlich zeichnet. Die einfallsreichen Kostüme von Winnie Janke dürfen hier gerne besonders erwähnt werden. Schauspieler Tommy Wiesner spielt mit turbulenter Energie den Fischer und seinen Sohn, Freya Müller gestaltet zart als Sopran Oruks Mutter und Mädchen. Daa alles fügte die Regisseurin Valérie Junker im Bühnenbild von Rhea Eckstein (ein aufgeklappter Iglu) temporeich und witzig zusammen. Schade war, dass viel zu viel auf einem viel zu niedrigen Podest spielte: etliches war gar nicht zu erkennen, da der Zuschauerraum ebenerdig war. Da hätte man anders drüber nachdenken müssen. Aber ein verzauberndes, geistreiches Stück, das bei den Kindern viel Beifall erntete.
- Weitere Aufführungen: 2.3., 8.,12.,23., und 28.5 jeweils zwei Aufführungen.
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