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(Der Diktator): v.l.n.r. Sara Jakubiak (Maria), Davide Daminani (Der Diktator) und Juanita Lascarro (Charlotte). Foto: Barbara Aumüller
(Der Diktator): v.l.n.r. Sara Jakubiak (Maria), Davide Daminani (Der Diktator) und Juanita Lascarro (Charlotte). Foto: Barbara Aumüller
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„Auf Wiederseh’n!“ – Kreneks Einakter-Trilogie in Frankfurt zyklisch überformt

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Wohl jeder, der sich einmal mit der Musik der 1920er Jahre intensiver beschäftigt hat, wird Kreneks „Jonny spielt auf“ (1926) kennen – jene mitreißende Jazz-Oper, deren Titelheld kaum ein Jahrzehnt später in wilder Verzerrung auf das Plakat einer vermeintlich „entarteten Musik“ gelangte. Was da auf die Weimarer Republik zukommen sollte, scheint Krenek, wohl immer am Puls der Zeit, bereits geahnt zu haben. So jedenfalls lässt sich seine Einakter-Trilogie von 1926/27 deuten – und so wurde sie auch in der Oper Frankfurt in einer neuen, zyklischen Inszenierung auf die Bühne gebracht.

Obwohl Ernst Krenek ein überaus produktiver Komponist war und sich stilistisch wie ein klingendes Chamäleon durch die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts bewegte, sind Aufführungen seiner Musik rar. Dies betrifft den Konzertsaal mit allen instrumentalen Gattungen ebenso wie die Bühne. Seltsam, denn mit seinen Opern traf und trifft Krenek noch immer den Nerv. Warum also ist es so still um ihn geworden? Weil Krenek als hellwacher, reflektierender Geist sich nie vereinnahmen ließ und sich konsequent einer bestimmten Schule verweigerte? Weil er seine Unabhängigkeit auch musikalisch klarstellte und dabei aus einem unendlichen Fundus schöpfte? Hinsichtlich seiner Bühnenwerke gilt jedenfalls noch immer das, was er selbst dazu niederschrieb: „Da ich für dichterische Darstellung kein wirkliches Talent habe, sondern nur die Phantasie eines Dichters besitze, leiden meine dramatischen Bemühungen unter einer gewissen Einfachheit und Naivität.“ Ob aber der eingestandene „Mangel an poetischer Dichte“ wirklich immer in eine „gesunde Direktheit“ mündete, sei einmal dahingestellt. In der Trilogie rettet eher die inspirierte, vor Selbstbewusstsein nur so strotzende originelle Partitur das bisweilen unfreiwillig komische Libretto vor sich selbst.

Drei unterschiedliche Geschichten erzählt Krenek in seinen letztlich mehr oder weniger auch politisch motivierten Einaktern, die damals wie heute seltsam aktuell erscheinen: Zunächst Der Diktator, eine vom Verismo inspirierte tragische Oper. Man muss nicht erst Kreneks Lebenserinnerungen bemühen, um in ihm Mussolini zu erkennen, dessen Sexappeal schließlich gar die Attentäterin erliegt, die sich am Ende schützend vor ihn wirft. Zu Schwergewicht oder Die Ehre der Nation, eine burleske, variétéhafte Operette, wurde Krenek hingegen durch die quasi kulturtragende Überhöhung eines Auftritts des Boxers Max Schmeling in der Neuen Welt inspiriert, während die abschließende, etwas längliche Märchenoper Das geheime Königreich mit den Themen „Machtverlust“ und „Naturnähe“ auch jetzt noch utopisch wirkt.

Krenek wollte seine drei Opern als Einzelbilder verstanden wissen: Schlaglichter auf Themen der Zeit, musikalisch vollgepackt mit mehr oder weniger deutlichen Anspielungen auf Puccini, Wagner, Mozart, die nicht nur Kennerschaft dokumentieren, sondern auch so eingepasst werden, dass man dabei seinen Spaß haben kann; Elemente des zeittypischen Tanz-Jazzes finden sich nur im Schwergewicht, dort aber in zündender Spritzigkeit. Die Inszenierung von David Hermann geht indes einen Schritt weiter und erzählt in einem großen Bogen die Geschichte eines scheiternden Diktators, dem von Mal zu Mal die Macht abhanden kommt. Doch diese Idee konsequent auf der Bühne umzusetzen, hat auch seinen Preis. So wird die Attentäterin von der Frau des Diktators gezielt erschossen, womit der erotische Plot desavouiert wird; nicht das Schwergewicht, sondern der plötzlich in die Szenerie eingreifende Diktator wird an das Sportgerät gefesselt, während der gänzlich unpolitische Boxer am Ende (unmotiviert) zum Dynamit greift und die Bühne in die Pause sprengt. Hätte man diese Miniatur-Operette nur als Intermezzo begriffen, wie sinnfällig hätten sich im abschließenden Märchen die hohen Mauern, die Revolution und die Kargheit des unter ihnen liegenden Führerbunkers erschlossen. Dass zum Schluss der Narr seine Maske fallen lässt, aus dem Zauberwald heraustritt und sich dem Publikum zuwendet („Verzeiht dies kleine Spiel…“), zeigt Kreneks Kalkül: Als Theater-Trick hat das schon bei der Uraufführung in Wiesbaden gezündet, auch jetzt in Frankfurt wurde die Wirkung nicht verfehlt.

Bühnenbild und Kostüme (Jo Schramm, Katharina Tasch) bilden das alles einvernehmlich ab und setzen auch ganz eigene Akzente in der Märchenoper, so wie etwa die Metamorphose der grün gewandeten Königin im spiegelverzerrten Wald-Aquarium. Für alle Sängerinnen und Sänger des Ensembles bedeutete die jeweilige Partie eine Bühnenpremiere. Bestens einstudiert, ist es auch an erster Stelle die gemeinsam vollbrachte Leistung, die an diesem Abend mit herzlichem Applaus honoriert wurde. Dennoch sind von den insgesamt 18 Protagonisten in 20 Rollen einige hervorzuheben: So Davide Damiano (Diktator, König) mit einem präsenten, nachdenklich geführten Bariton und Simon Bailey (Adam Ochsenschwanz), der als Schwergewicht seinen Buffobass frei ausspielen konnte. Ambur Braid (Königin) bezauberte mit ihren sicher geführten Mozart-Koloraturen, Sebastian Geyer (Narr) füllte bis zum abschließenden „Auf Wiederseh’n“ seine Rolle in allen Facetten aus. Die Hauptlast lag freilich auf den Schultern des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters, das von Lothar Zagrosek (der schon 1993 den Jonny aufgenommen hatte) durch alle Stile zu einer fulminanten Leistung geführt wurde. – Sehenswert, hörenswert!

  • Weitere Aufführungen:12., 14., 18. und 21. Mai

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