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Peter Gülke. Foto: Hufner
Peter Gülke in Jahr 2006. Foto: Hufner
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Aufbruchsstimmung an der Havel – Peter Gülke als Chef der Brandenburger Symphoniker

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Peter Gülke ist nicht nur Dirigent, sondern auch Autor, Musikwissenschaftler und Herausgeber klassischer Komponisten. Im Herbst wurde der 81-Jährige Chefdirigent der Brandenburger Symphoniker. Sein Einstandskonzert konnte er aus gesundheitlichen Gründen allerdings erst ein halbes Jahr später geben.

Warum lässt sich ein international anerkannter Musiker auf ein vorwiegend regional wirkendes Orchester ein? Neben persönlicher Sympathie dürfte den Ausschlag geben, dass Gülke am Brandenburger Theater das passende Umfeld sieht, um seine künstlerischen Vorstellungen zu verwirklichen. So bescheiden, konzentriert und gänzlich ohne Allüren er auf dem Podium wirkt – das zeigt: Peter Gülke ist kein „Alleinherrscher“ am Pult, sondern entwickelt seine Interpretationen im Miteinander. Von seinen Ambitionen zeugt zudem das Programm des Einstiegskonzerts, das auf vorwiegend gefällige Musik verzichtete. Drei um 1900 entstandene Werke – von Jean Sibelius, Edward Elgar und Carl Nielsen – wurden geboten, die auf unterschiedliche Art vom menschlichen Leiden und dem Sterben handeln.

Höhepunkt war die Vierte Sinfonie von Carl Nielsen. Der dänische Komponist gab diesem Werk, das zwischen 1914 und 1916 entstand, den Titel „Das Unauslöschliche“. Nielsen zufolge soll es den „Lebensdrang“, den elementaren Willen zum Leben ausdrücken.

Peter Gülke spannte das kontrastreiche Werk, dessen vier Sätze ineinander übergehen, unter einen einzigen Bogen. So präzise und eindringlich hat man die Brandenburger Symphoniker wohl noch nicht gehört. Nielsens Vitalität und rhythmische Kraft brachte das Ensemble ebenso deutlich zur Geltung wie die eigentümlich dunklen Klangfarben und kantigen Harmonien. Die Musik schien gleichsam mit sich selbst zu ringen und zu kämpfen – bis schließlich ein gespenstisches Paukenduell jegliche melodische Regung zerschlug.

Grundverschieden ist der Tonfall in Edward Elgars Cello-Konzert. Hier entlockte Peter Gülke dem Orchester eine kammermusikalisch intime, beseelte Schwermütigkeit. Den melancholischen Hauch des kurz nach dem Ersten Weltkrieg erstandenen Werks vermisste man allerdings im Spiel der Solistin. Die 1994 geborene russische Cellistin Anastasia Kobekina musizierte zwar technisch makellos, aber glatt und jugendlich unbedarft.

Außerdem erklang Sibelius’ Schilderung des nordisch-mythischen Totenreiches, „Der Schwan von Tuonela“. Gülke ließ sich hier Zeit und verlieh dem Orchesterklang einen wunderbar warmen Glanz und innige Ruhe.

Nach diesem geglückten Einstand dürfte in Brandenburg an der Havel Hoffnung keimen. Noch immer wirkt hier das Trauma der Zerschlagung des Dreispartenhauses im Jahre 2002 nach. Und in letzter Zeit gab es einen nervenzehrender Rechtsstreit mit dem Dirigenten Michael Helmrath, der nach Ablauf der Vertragszeit den Posten nicht aufgeben wollte.

Die Hoffnung bindet sich nun nicht nur an Peter Gülke, sondern auch an das neue Leitungsteam am Brandenburger Theater. Im Januar 2016 hat Katja Lebelt die künstlerische Leitung des Hauses übernommen; die gelernte Bühnenbildnerin lebt im Brandenburgischen und dürfte daher ein Gespür für die kulturellen Bedürfnisse der Einwohner haben.

Orchesterdirektorin wurde die Amerikanerin Gale Mahood, die nach ihrer Tätigkeit beim Royal Scottish National Orchestra erstmals ein Ensemble in Deutschland leitet. Zu ihren Plänen haben sich die beiden Frauen noch nicht öffentlich geäußert. Es dürfte jedenfalls nicht einfach sein, originelle Ideen mit dem erdrückenden Sparzwang, der auf dem Haus lastet, zu vereinbaren.

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