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Richard Strauss: Arabella. Festspiel-Premiere am 6. Juli 2015 im Prinzregententheater. Musikalische Leitung: Philippe Jordan. Inszenierung: Andreas Dresen. Foto: Wilfried Hösl
Richard Strauss: Arabella. Festspiel-Premiere am 6. Juli 2015 im Prinzregententheater. Musikalische Leitung: Philippe Jordan. Inszenierung: Andreas Dresen. Foto: Wilfried Hösl
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Ausgerechnet: „Arabella“ in München von Philippe Jordan und Andreas Dresen „entsüßt“

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Erstaunlicherweise in der „Strauss-Stadt“, wo seit den 1960ern Lisa della Casa und Dietrich Fischer-Dieskau das gleichsam ultimative Traumpaar Arabella-Mandryka bildeten, nun dies: herbe Realitäten der Entstehungszeit vor dem Schicksalsjahr 1933, keine selig-süße Beschwörung der „K.u.K.“-Oberfläche – und am Ende doch fast ungetrübter Jubel.

Aus dem Dunkel taucht zu den ersten Takten ein „Dr.Caligari“-Bühnenbild auf: ein bühnengroßes, zwar leicht geschwungenes, aber wuchtiges Treppenkreuz, starke Schlagschatten werfend, Möbel wie aus einem expressionistischen Schwarz-Weiß-Film. Ausgerechnet der älteste Sohn des einst führenden Rolleninterpreten, Mathias Fischer-Dieskau hat dieses 1920er-Ambiente als Einheitsbühnenbild auf großer Drehbühne entworfen. Michael Bauers kaltes Licht nimmt den wechselnden Räumen alles Heimelige; nur wenn die Figuren in einer Reflexion intime Einblicke in ihr Inneres geben, dunkelt der Raum etwas ein und einzig die jeweilige Person steht im Licht. Sabine Greunigs Kostüme beschwören die Mode der Zwischenkriegszeit, am deutlichsten und treffendsten bei Arabellas Auftritt: vom winterlichen Spaziergang kommt sie in langer grauer Hose und taillierter Lederjacke mit Innenpelz; das lange Kleid zur Schlittenfahrt überzeugt weniger, mehr das schulterfreie schwarz-weiße Ballkleid zur schwarzen Haarpracht von Anja Harteros – eine Frau aus Christian Schads Bildern der „veristischen Neuen Sachlichkeit“. Doris Soffels gräfliche Mutter Adelaide schwankt zwischen anfänglichen Alkohol-Nachwirkungen im Morgenmantel, Wahrsage-Hysterien, einer sexuellen Eskapade mit dem enttäuschten Arabella-Verehrer Elemer und der Resolutheit, ihrem spielsüchtigen Ehemann mit seiner überlebten Ehrpusselei am Ende einfach den Revolver aus der Hand zu nehmen. Über die Treppen des berüchtigten Wiener Fiakerballs (am Aschermittwoch!) spazierten mehrfach faschistoid schwarz Uniformierte im Kontrast zu den fesch gekleideten Grafen – und zu ihnen kontrastierte der wuchtige Mandryka von Thomas J. Mayer mit schwarzer, kragenlos offener Hemdbrust, lockiger Haarmähne und markantem Bariton.

Konvention und Selbstbewusstsein

Und ja, das Stück funktioniert sehr wohl in genau diesem Ambiente: der Weltwirtschaftskrise und dem Vergnügungstaumel, der Jagd nach Geld und Versorgungsheirat, dem Festhalten an Konventionen von Einst – und einem neuen weiblichen Selbstbewusstsein. Die zweite Tochter Zdenka in Männerkleidung wirkt hier weniger operettenhaft und dann gipfelte Andreas Dresens klare, aber wenig ausdifferenzierte Personenführung in einem genau passenden Schlusseinfall: Arabella wiederholt ja zur Versöhnung mit dem zuvor eifersüchtig beleidigenden Mandryka das von ihm erzählte ländliche Verlobungsritual mit dem Glas frischen Wassers – und schüttet es ihm keck herausfordernd und zur Ernüchterung ins Gesicht … es wird sicher keine langweilige Ehe …

Zu all dem passte, dass Philippe Jordan mit dem Strauss-erfahrenen Staatsorchester eher „auf Kante“ dirigierte: nur gelegentliches Hochschwappen schwelgerischer Klangwogen, klare Nebenstimmen und markante Pauke, Konversationston vor Vokalglanz. Dazu passte der eher kühle Arabella-Sopran von Anja Harteros, eher „alabasterartig“, aber schön harmonierend mit dem der Zdenka der nur anfangs (hitze-und-oder premieren-bedingt?) forcierenden Hanna-Elisabeth Müller. Auch der fesche Matteo von Joseph Kaiser klang mitunter höhenbemüht, während aus den gräflichen Verehrern Andrea Borghini (Dominik) und Steven Humes (Lamoral) der hochemotionale, drahtige Elemer von Dean Power herausragte. Kurt Rydlls Graf Waldner brachte typisches Wiener Kolorit in Ausdruck und Artikulation mit, zu dem die Domina-kostümierte Fiakermilli von Eir Inderhaug mit gestochenen Koloraturkeckheiten kontrastierte. So wurde es musikalisch eine Klangkulisse, die eher die farbig oszillierenden Stimmungsschwankungen, auch die hektisch berechnende Nervosität und damit eine eher unerwartete Modernität wie dramaturgische Überzeugungskraft der Straussschen Partitur offenbarte.

All das in München, wo „man“ doch glaubt zu wissen, „was der Strauss gewollt hat“ … dennoch fast einhelliger Beifall für alles und Jubel von der Harteros-Gemeinde.

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