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Barokksolistene. Foto: Juan Martin Koch
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Bach-Wunder, Subtiles und Unterhaltsames: die Tage Alter Musik Regensburg im 30. Jahr

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„Es funktioniert eigentlich wie am ersten Tag.“ Dem Bekenntnis des Festivalmachers Ludwig Hartmann im Vorfeld der 30. Regensburger Tage Alter Musik ist als Fazit kaum etwas hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass es diesmal wohl besonders gut funktionierte.

Was konnte nach solch einer Eröffnung auch schon schief gehen? Das fabelhafte „Collegium Vocale 1704“ demonstrierte, wie man auch ohne radikale Chorverschlankung à la Joshua Rifkin eine zwingende, in ihrer Art nicht weniger kompromisslose Deutung von Bachs h-Moll-Messe realisieren kann. Der 18-köpfige Chor entwickelte eine die Stimmen weich aber klar ineinander verzahnende Präsenz und gab den von Luks mit fließenden Gesten geformten, weiten Bögen bei äußerst zügiger Gangart eine nie nachlassende innere Gespanntheit. Die würdevolle Schwere weicht einer luftig-federnden Spiritualität: eine Wohltat. Die Solisten Hana Blážiková, Kamila Mazalova, Václav Čížek und Tobias Berndt zeigten keinerlei Probleme damit, zusätzlich zum kompletten Chorpart, in den sie sich immer wieder eingliederten, bravouröse, dabei völlig uneitle Soli zu gestalten.

Auf dem Niveau dieses Bach-Wunders bewegte sich auch das belgische Vokalensemble „Vox Luminis“. Das feine, individuelle Pulsieren unter der Oberfläche eines fast unwirklich homogenen Zusammenklangs verlieh Schütz’ „Musikalischen Exequien“ seine Aura. Überragend gerieten danach auch die Motetten aus der Bach-Familie. Aus dem hinteren Teil des Kirchenschiffs gemahnten engelsgleiche Sopranistinnen an das Endliche alles Irdischen.

Eine ähnliche Raummagie erzeugte das „Concerto Palatino“ unter der Leitung der Zink-Koryphäe Bruce Dickey mit seinem venezianischen Programm. Ohne dass eine getrennte Aufstellung nötig gewesen wäre, erhoben sich über dem dunklen Schimmern des Posaunenensembles Zinken und Singstimmen in doppelchöriger Pracht.

Eine unbestreitbar hohe Kultur des Ensemblegesangs pflegen auch die stilistisch vielseitigen Mitglieder von „Voces 8“. Ihr vitaler, etwas eindimensionaler Zugriff gab (zusammen mit den überflüssigen Moderationen) dem geistlichen Programm allerdings ungewollt madrigaleske Züge. Ihr Konzert reihte sich ein in die vielen erfreulichen, aber weniger spektakulären Momente des 30. Jahrgangs. Darunter wären außerdem der engagierte Auftritt des Jugendbarockorchesters „Bachs Erben“ und die geistreiche Unterhaltung mit „El Mundo“ (lateinamerikanisch und italienisch gefärbte Españoladas) und den „Barokksolistene“ zu zählen (Telemann und P.D.Q. Bach).

Subtiler ist da die Kunst einer Corina Marti, der ein Clavisimbalum und diverse Flöten genügen, um ihr Publikum in die Welt des Trecento zu entführen, wobei allerdings ein paar Informationen über das Programmheft hinaus notwendig gewesen wären. Oder das „Voix humaines Concort of Viols“, das die Strenge von Bachs „Kunst der Fuge“ mit ihren Verzierungen fein zerstäubte und in Purcells Fantasien das Gambenconsort als das Streichquartett des 17. Jahrhunderts präsentierte. Die eingeschobenen italienischen Shownummern waren entbehrlich, dienten vor allem der Auflockerung der Programmdramaturgie.

Als zumindest diskussionswürdig erwiesen sich die „Neuen Brandenburgischen Konzerte“, die der Musikologe Bruce Haynes hauptsächlich aus Bach’schen Kantatensätzen arrangiert hat (gespielt von der „Bande Montréal Baroque“). Knapp an die Unkenntlichkeit heran führte hingegen Zeremonienmeister Hervé Niquet drei Oden Henry Purcells. Mit theatralisch-herrschaftlicher Geste lässt er mangels geeigneter Kräfte die solistischen Abschnitte kurzerhand von den drei bis vier Sängern der jeweiligen Stimmgruppe seines (auch als Chor wenig überzeugenden) „Concert Spirituel“ gemeinsam absolvieren. Kein Wunder, dass die feinen, textbezogenen Nuancen dieser sehr individuell gestalteten Passagen auf der Strecke bleiben.

Einem ausgezeichneten Solistenensemble (Raffaela Milanesi, Richard Helm und Stefanie True in den Hauptpartien) und dem Orchester „La Risonanza“ unter Fabio Bonizzoni war es vorbehalten, dieses Purcell-Ärgernis vergessen zu machen. Auch wenn die musikalisch hochklassige Aufführung von „Dido and Aeneas“ in der hyperaktiven Regie beziehungsweise Choreographie Francesca La Cavas ein Stück weit zertanzt wurde, war dies (in erstmaliger Kooperation mit dem Theater Regensburg) ein schöner Abschluss eines mehr als würdigen Jubiläumsfestivals. Lediglich Klänge jenseits des Barock – zum Beispiel vom Mitjubilar C.P.E. Bach – vermisste man ein wenig. Fürs nächste Jahr haben die Veranstalter aber schon einen zentralen klassischen Programmpunkt annonciert. Wir sind gespannt.

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