Oper muss nicht logisch sein, vor allem nicht, wenn sie sich als „lyrische Komödie“ gibt. Von einer Inszenierung erwartet man es trotzdem. Doch was jetzt der „Arabella“ in Kiel geschah, der bekanntlich Hugo von Hofmannsthal „den leichten Text, in der Hauptsache im Telegraphenstil“ gab (Brief vom 1.10.1927) und Richard Strauss das musikalische Korsett, hatte wenig davon, wirkte behäbig und bizarr auf den Rezensenten, auch wenn das Premierenpublikum jubelte.
Merkwürdige Handlung
Die „Arabella“ ist „fraglos eine der merkwürdigsten Opern“, meinte Adorno 1933 nach einer Frankfurter Inszenierung. Wahrlich, denn da wird dem Publikum manches zugemutet. Graf Waldner, Rittmeister a.D. und Vater, bietet seine Tochter dem ältlichen, dafür reichen Regimentskollegen Mandryka an. Der soll ihm finanziell aus der Patsche helfen, in die ihn seine Spiel- und Alkoholsucht getrieben hatte. Das dem „Bittgesuch“ beigelegte bezaubernde Bild (Mozart lässt grüßen) entflammt aber den Neffen. Das würde ja passen, denn der Onkel ist tot und der Neffe gleichen Namens knackiger, zudem als Slowene zupackend und urig. In nur wenigen Minuten wird er, eben herbeigereist, mit Vater und später mit der Tochter handelseinig und zum Bräutigam. Dann ist da noch die zweitgeborene Tochter Zdenka, schon flügge und ränkevoll. Sie wurde von der praktisch veranlagten Mutter kurzerhand in Männerkleidung als Zdenko aufgezogen, weil das billiger kommt, zudem eine schöne Hosenrolle offeriert. Und hier grüßt der „Rosenkavalier“, zu dem auch Hofmannsthal im selben Brief eine „innere Verwandtschaft“ sah. Zdenko aber hält die Rolle nicht durch, verliebt sich in den Jägeroffizier Matteo, einen der vier Verehrer der Schwester, und bleibt nicht bei schüchterner „Knaben“liebe, sondern verführt ihn nächtens. Der glaubt sich am Ziel und bemerkt im Dunkeln die Täuschung nicht, was nun – und besonders in der Kieler Inszenierung – wenig glaubwürdig ist, es sei denn, man(n) ist seiner Sinne nicht mächtig. Aber auf jeden Fall bringt es Mandryka, der sich wegen des vermeintlichen Dates seiner Zukünftigen gehörnt sieht, mächtig in Rage, was dann aber doch nicht das Ende verhindert, zu dem das Epitheton „happy“ passt.
„Lyrische“ Komödie?
Haarsträubend ist die Handlung, könnte dennoch, leicht inszeniert, Komödie pur sein. In Uwe Schwarz‘ Regie fängt es jedoch zäh an. Ganze 15 (!) Minuten vorher schon sitzt Mama Adelaide mit der Kartenaufschlägerin auf offener Bühne. Pantomimisch lässt sie diese die Karten befragen, schaut dabei aber ebenso gelangweilt ins Publikum wie das auf sie. Derweil kann sich der Zuschauer allenfalls das Bühnengebäude mit seinen noch verhängten Rundbögen ansehen (Ausstattung: Dorit Lievenbrück). Später wird es auf der Drehbühne immer mal wieder als gemächliches Karussell „herumgewirbelt“, während der Innenraum zum bizarren Spielplatz mutiert. Mal schneit es darin, mal sitzen die Herren dort am Spieltisch, mal tappst ein Bär umher, der wohl tierische Inkarnation des Urigen in Mandryka sein soll, oder es drehen sich Birken im Rund. Mit einem Kronleuchter wird es zum Saal, in dem Arabella ihre drei gräflichen Verehrer schreitend betanzt, während die Musik Walzer suggeriert. Die Fiakermilli führt nicht die Männer, sondern den bereits bekannten Bären an der Nase herum, wird dadurch so behäbig wie er. Komisch wirkt allenfalls ihre rote Pluderhose. Gar nicht komisch dagegen ist das Ballvolk, das in sommerlichem Touristenlook mit Visier und blitzenden Kameras hereinschneit, um im Bilde zu bleiben. Was es will? Möglicherweise will es den Abglanz österreichischer Üppigkeit auf das Smartphone bannen.
So wirkt die Komödie zusammengeklaubt und mätzchenhaft. Und auch Lyrisches tat sich wenig auf, denn das verhindert zumeist schon der Konversationston des Librettos. Im Gesang ließe es sich finden, insbesondere bei der Titelfigur, die in besinnlichen Minuten im dritten Akt ihre Rechtschaffenheit behauptet. Man muss ihr das glauben, obwohl sie ganz schön geschickt ihre Bewerberschar, drei Grafen und den Jägeroffizier, um sich tanzen lässt. Das spielerisch und grazil zu bringen ist ein Kunststück, das nicht vielen Sopranistinnen gelingt, auch Lori Guilbeau in Kiel nicht. Sie besitzt ein wunderbares Timbre, auch eine kraftvolle und geschmeidige Stimme. Das Leichte und Kokette aber ist ihr nicht gegeben, auch im Spiel nicht. Solch ein vorrangig dramatischer Sopran ist einfach eine Fehlbesetzung.
Wenigstens die Ohren haben ihre Freude
Da etliche der Sänger durchaus Hörenswertes von sich gaben, hatten wenigstens die Ohren ihre Freude. Vorrangig galt das für Mandryka, Arabellas Zukünftigen, der auch schauspielerisch seine Rolle füllte. Ihn verkörperte Tomohiro Takada. Er ist ein wahrer Kavalierbariton, nicht nur stimmkräftig, auch wunderbar sicher und schmiegsam in Farbe und Gestaltung. Bei der anschließenden Premierenfeier erhielt er den Titel „Kammersänger“ in einem Zeremoniell, bei dem der Stadtpräsident dadurch erheiterte, dass er den japanischen Namen des Preisträgers mehrfach nicht aussprechen konnte.
In den anderen Rollen gefiel vor allem Mercedes Arcuri mit ihrem jugendlich schlanken Sopran, die sich köstlich als Jungmann durchsetzte. Sie konnte nichts dafür, dass keine Familienähnlichkeit zur Schwester bestand. Papa und Mama Waldner, Helene Köhne und Timo Riihonen, gaben auch komödiantisch sichere Rollen, wie auch die Tenöre Michael Müller-Kasztelan als Matteo und Fred Hofmann als Elemer.
Das Orchester unter Georg Fritzsch war in den schwelgerischen Partien zurückhaltend, machte seine Sache als Unterstützer der parlierenden Sänger aber sehr gut.
Fazit
Der Regisseur hatte sich für ein sehr konservatives Konzept entschieden, das er mit ein paar Tricks aufzubessern suchte. So entstand eine wenig überzeugende Inszenierung. Erst die musikalischen Leistungen versöhnten. An der Kieler Förde war in letzter Zeit im Opernhaus Plausibleres zu erleben.